Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen
denke über etwas ganz anderes nach, anstatt dem Beachtung zu schenken, was hier vorging. Ich streckte die Hand nach ihm aus. „Jetzt siehst du es, mein Sohn – was aus diesem ‚großen Mann‘ wird, wenn er unter Zwang steht. Er flüchtet sich in Ausreden. Er schiebt die Schuld anderen in die Schuhe. Er tut vieles – nur Verantwortung übernimmt er nicht.“
Aus Washingtons Gesicht war das Blut gewichen. Er senkte den Blick, starrte zu Boden. Die Schuld stand ihm unübersehbar ins Gesicht geschrieben.
Ich schaute Connor flehentlich an. Er begann schwer zu atmen, dann explodierte er vor Wut: „Schluss damit! Wer was getan hat und warum, das muss warten. Mein Volk steht jetzt an erster Stelle.“
Ich griff nach ihm.
„Nein!“ Er wich vor mir zurück. „Wir sind fertig miteinander.“
„Sohn …“, setzte ich an.
Aber er fuhr zu mir herum. „Haltet Ihr mich für so dumm, dass Ihr glaubt, es genüge, mich ‚Sohn‘ zu nennen, damit ich meine Meinung ändere? Seit wann wusstet Ihr das? Wie lange habt Ihr es für Euch behalten? Oder soll ich annehmen, dass Ihr es jetzt erst herausgefunden habt? Das Blut meiner Mutter mag an den Händen eines anderen kleben, aber Charles Lee ist ein eben solches Ungeheuer, und was er tut, tut er auf Euer Geheiß.“ Er wandte sich Washington zu, der zurückzuckte, weil er plötzlich Connors Zorn fürchtete.
„Ich warne Euch beide“, knurrte Connor, „falls Ihr mir folgt oder Euch mir in den Weg stellt, werde ich Euch töten.“
Und damit verschwand er.
16. September 1781
(Drei Jahre später)
I
In der Schlacht von Monmouth im Jahr 1778 entschloss sich Charles, obwohl Washington ihm befohlen hatte, die zurückweichenden Engländer anzugreifen, selbst zum Rückzug.
Was ihn dazu bewegte, wusste ich nicht. Vielleicht sah er sich in der Unterzahl – das nannte er jedenfalls als Grund –, oder vielleicht hoffte er auch, dass ein Rückzug seinerseits ein schlechtes Licht auf Washington und den Kongress werfen und sein Kontrahent dann endlich seines Kommandos enthoben würde. Aus irgendeinem Grund, vielleicht auch, weil es eigentlich gar nicht mehr wichtig war, fragte ich ihn nie weiter danach.
Allerdings weiß ich, dass Washington ihm befohlen hatte anzugreifen. Stattdessen hatte er das Gegenteil getan, und die Situation wandelte sich rasch zu einer Schlappe. Ich habe gehört, dass Connor bei der darauffolgenden Schlacht die Finger im Spiel hatte und den Rebellen half, eine Niederlage abzuwenden, während Charles auf dem Rückzug geradewegs auf Washington getroffen war. Es war zu einem Streit gekommen, in dem vor allem Charles ein paar harsche Worte gebraucht hatte.
Das konnte ich mir lebhaft vorstellen. Ich dachte an den jungen Mann, den ich vor all den Jahren im Hafen von Boston kennengelernt hatte, wie er bewundernd zu mir aufgesehen, auf alle anderen jedoch mit Verachtung hinabgeschaut hatte. Stets hatte man ihn bei der Benennung des Heerführers der Kontinental-Armee übergangen, und seine Abneigung gegen Washington hatte geeitert wie eine offene Wunde, war immer schlimmer geworden und nie verheilt. Nicht nur hatte er bei jeder sich bietenden Gelegenheit schlecht von Washington gesprochen und ihn in jeder Hinsicht, sowohl persönlich als auch hinsichtlich seiner Führungsqualitäten, verunglimpft, nein, er hatte sogar eine Briefkampagne begonnen und versuchte, alle verfügbaren Kongressmitglieder auf seine Seite zu ziehen. Gewiss, sein Eifer wurde zum Teil geschürt von seiner Loyalität dem Orden gegenüber, aber es steckte auch die persönliche Wut darüber, übersehen worden zu sein, dahinter. Charles hätte durchaus seinen Dienst bei der englischen Armee aufgeben und ein amerikanischer Bürger werden können, aber es steckte doch ein sehr ausgeprägtes und sehr britisches elitäres Bewusstsein in ihm, und er hatte das starke, schon leidenschaftlich zu nennende Gefühl, dass der Posten des Heerführers von Rechts wegen ihm gehöre. Ich konnte es ihm nicht verübeln, dass er persönliche Gefühle ins Spiel brachte. Wer von jenen Rittern, die einst im Green Dragon zusammengekommen waren, konnte sich davon schon freisprechen? Ich bestimmt nicht. Ich hatte Washington gehasst für das, was er in Ziios Dorf angerichtet hatte, doch seine Führung der Revolution, mochte sie bisweilen auch von mitleidloser Scharfsicht sein, war, soweit ich wusste, nicht ausschließlich von Brutalität geprägt. Er hatte etliche Erfolge für sich zu verbuchen, und wie konnte man nun,
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