Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen

werden. So behandeln die Engländer ihre Gefangenen, Connor.“
    Er verstand, was ich meinte, erwiderte aber: „Und deshalb müssen wir uns von ihrer Tyrannei befreien.“
    „Ach, Tyrannei. Vergiss nicht, dass dein Anführer, George Washington, diese Männer auf den Gefängnisschiffen retten könnte, wenn er nur wollte. Aber er ist nicht daran interessiert, gefangene englische Soldaten gegen amerikanische auszutauschen, und deshalb sind die gefangenen Amerikaner dazu verdammt, auf den Gefängnisschiffen in der Wallabout Bay zu verfaulen. Das ist das Werk deines Helden George Washington. Ganz gleich, wie diese Revolution ausgeht, Connor, ich garantiere dir, es werden die Menschen mit Geld und Land sein, die davon profitieren. Die Sklaven aber, die Armen, die Soldaten … sie werden auch danach dazu verdammt sein, zu verrotten.“
    „George ist anders“, sagte er, aber ja, jetzt klang ein Zweifel in seiner Stimme mit.
    „Du wirst sein wahres Gesicht schon bald erkennen, Connor. Es wird sich wie von selbst enthüllen, und wenn es so weit ist, kannst du deine Entscheidung treffen. Dann kannst du dein Urteil über ihn fällen.“

17. Juni 1778
    I
    Obwohl ich viel davon gehört hatte, mit eigenen Augen hatte ich Valley Forge noch nicht gesehen. Erst an diesem Morgen fand ich mich dort wieder.
    Die Lage hatte sich eindeutig verbessert, das stand fest. Der Schnee war verschwunden, die Sonne hervorgekommen. Unterwegs wurde ich Zeuge, wie ein Trupp von einem Mann mit preußischem Akzent in die Mangel genommen wurde, bei dem es sich, wenn ich mich nicht sehr irrte, um den berühmten Baron Friedrich von Steuben handelte, Washingtons Generalstabschef, der maßgeblich daran beteiligt gewesen war, seine Armee in Form zu bringen. Und das hatte er wirklich. Hatte es den Männern zuvor an Moral und Disziplin gemangelt, hatten sie unter Krankheiten und Unterernährung gelitten, war das Lager nun voller gesunder, gut genährter Soldaten, die mit lautem Geklapper ihrer Waffen und Ausrüstung exerzierten, ihr Schritt flott und stramm. Zwischen ihnen gingen Lagermitläufer umher, die Körbe mit Vorräten oder Wäsche trugen oder dampfende Töpfe und Kessel für die Feuerstellen. Selbst die Hunde, die sich am Rande des Lagers jagten und miteinander spielten, schienen dies mit frischer Energie und neuem Schwung zu tun. Das dort, erkannte ich, konnte die Wiege der Unabhängigkeit werden, genährt von Tatkraft, Kooperation und Standhaftigkeit.
    Dennoch fiel mir auf, als ich mit Connor durch das Lager ging, dass der neue Geist, der dort Einzug gehalten hatte, größtenteils den Bemühungen der Assassinen und Templer zu verdanken war. Wir hatten die Vorräte sichergestellt und weitere Diebstähle verhindert, und man hatte mir berichtet, dass Connor mit für die Sicherheit des Barons von Steuben gesorgt hatte. Und was hatte ihr ruhmreicher Anführer Washington getan, außer dass er es gewesen war, der sie überhaupt erst in diese Misere gebracht hatte?
    Trotzdem glaubten sie an ihn.
    Umso mehr Grund, seine Verlogenheit bloßzustellen. Umso mehr Grund, Connor sein wahres Gesicht schauen zu lassen.
    „Wir sollten Lee erzählen, was wir wissen, nicht Washington …“, brummte ich, während wir weitergingen.
    „Ihr scheint zu glauben, dass ich ihn gutheiße“, erwiderte Connor. Er wirkte unbekümmerter. Sein schwarzes Haar glänzte in der Sonne. Hier draußen, abseits der Stadt, schien seine Abstammung aufgeblüht zu sein. „Aber mein Feind ist eine Idee, kein Volk. Es ist falsch, Gehorsam zu erzwingen – sei es nun der englischen Krone oder dem Templerkreuz gegenüber. Und ich hoffe, dass auch die Loyalisten im Laufe der Zeit zu dieser Erkenntnis gelangen werden, denn auch sie sind Opfer.“
    Ich schüttelte den Kopf. „Du kämpfst gegen Tyrannei. Gegen Ungerechtigkeit. Aber das sind nur Symptome, Sohn. Ihre wahre Ursache ist menschliche Schwäche. Was glaubst du, warum ich nicht müde werde, dir deine Irrtümer vor Augen zu führen?“
    „Geredet hast du viel, ja. Aber gezeigt hast du mir nichts.“
    Nein , dachte ich. Weil du die Wahrheit nicht hören willst, wenn sie aus meinem Munde kommt, richtig? Du musst sie von dem Mann hören, der dein Idol ist. Du musst sie von Washington hören.
    II
    In einer Holzhütte fanden wir den Anführer, der mit Korrespondenz beschäftigt war. Nachdem wir die Wache an der Tür passiert hatten, schlossen wir sie und sperrten den Lärm des Lagers aus, die Befehle der Ausbilder, das nie abreißende