Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen
in Griffweite lag, aber ich bedeutete ihm mit einer Geste, dass ich ihm nichts Böses wollte.
Er nickte. „Wenn Ihr hungrig seid, ich hab genug“, sagte er freundlich.
Und es roch wirklich gut, aber mich beschäftigten andere Dinge. „Wisst Ihr, was hier geschehen ist? Wo sind denn alle?“
„Sind nach Westen gegangen. Ist schon ein paar Wochen her, seit sie aufgebrochen sind. Der Kongress hat offenbar irgendeinem Kerl aus New York das Land zugesprochen. Nehme an, man glaubte, auf die Zustimmung der Menschen, die hier lebten, verzichten zu können.“
„Was?“
„Genau so war es. Und es geschieht immer öfter. Die Eingeborenen werden von Händlern und Ranchern verdrängt, die expandieren wollen. Die Regierung sagt zwar, man nehme kein Land, das schon in Besitz ist, aber, nun ja … Hier könnt Ihr Euch ja vom Gegenteil überzeugen.“
„Wie konnte es dazu kommen?“, fragte ich und drehte mich langsam im Kreis. Doch nirgends konnte ich ein vertrautes Gesicht meines Stammes entdecken.
„Wir sind jetzt auf uns allein gestellt“, fuhr der Jäger fort. „Keiner von den guten alten Engländern mehr und keine Arbeit. Das heißt, wir müssen unser Leben selbst in die Hand nehmen. Und auch dafür bezahlen. Land zu verkaufen, ist schnell und einfach. Und nicht ganz so übel wie die Steuern. Und da manche behaupten, wegen der Steuern hätte der ganze Krieg überhaupt erst angefangen, hat keiner Eile, sie wieder einzuführen.“ Er lachte rau und herzlich. „Schlaue Männer, unsere neuen Anführer. Die wissen schon, dass sie nichts überstürzen dürfen. Wäre noch zu früh. Zu … englisch.“ Er starrte ins Feuer. „Aber das kommt schon noch. Wie immer.“
Ich dankte ihm und machte mich auf den Weg zum Langhaus. Unterwegs dachte ich: Ich habe versagt . Mein Stamm war fort – davongejagt von den Menschen, von denen ich geglaubt hatte, sie würden mein Volk beschützen.
Im Gehen begann das Amulett, das ich um den Hals trug, zu leuchten, und ich nahm es in die Hand und musterte es. Vielleicht gab es doch noch etwas, das ich tun konnte – vielleicht konnte ich diesen Ort vor allen retten, vor den Patrioten und den Templern gleichermaßen.
II
Auf einer Lichtung im Wald ging ich in die Hocke und betrachtete, was ich in den Händen hielt – in der einen die Halskette meiner Mutter, in der anderen das Amulett meines Vaters.
Zu mir selbst sagte ich: „Mutter, Vater – es tut mir leid. Ich habe Euch beide enttäuscht. Ich habe versprochen, unser Volk zu beschützen, Mutter. Ich dachte, wenn ich die Templer aufhalten könnte, wenn ich die Revolution vor ihrem Einfluss bewahren könnte, dann würden jene, die ich unterstützte, schon tun, was richtig sei. Und ich nehme an, sie haben getan, was richtig war – was für sie richtig war. Und was dich angeht, Vater, so dachte ich, dass ich uns vereinen könnte, dass wir die Vergangenheit vergessen und eine bessere Zukunft schmieden könnten. Ich glaubte, dass du die Welt im Laufe der Zeit schon so zu sehen lernen würdest, wie ich sie sehe – dass du begreifen würdest. Aber es war nur ein Traum. Auch das hätte ich wissen sollen. Ist es uns also nicht bestimmt, in Frieden zu leben? Ist es so? Sind wir zum Streiten geboren? Zum Kämpfen? So viele Stimmen – und jede verlangt etwas anderes.
Es war schwer mitunter, aber nie war es so schwer wie heute, da ich alles, wofür ich gearbeitet habe, pervertiert, weggeworfen und vergessen sehe. Du würdest sagen, damit hätte ich die ganze Menschheitsgeschichte beschrieben, Vater. Lächelst du jetzt also? In der Hoffnung, dass ich die Worte sage, die du hören wolltest? Dass ich dich bestätige? Dass ich sage, du hattest von Anfang an recht? Das werde ich nicht tun. Ich weigere mich, es zu tun, auch jetzt noch, da ich mich mit der Wahrheit deiner kalten Worte konfrontiert sehe. Weil ich glaube, dass die Dinge sich immer noch ändern können.
Vielleicht wird mir das nie gelingen. Vielleicht werden sich die Assassinen noch einmal tausend Jahre lang vergebens bemühen. Aber wir werden nicht aufhören.“
Ich begann zu graben.
„Kompromisse. Darauf haben alle bestanden. Und so habe ich gelernt, Kompromisse einzugehen. Aber, wie ich glaube, anders als die meisten sonst. Mir ist jetzt klar, dass es Zeit braucht, dass der Weg, der vor uns liegt, lang und in Dunkelheit gehüllt ist. Es ist ein Weg, der mich nicht immer dorthin führen wird, wo ich hin will – und ich bezweifle, dass ich je sein Ende sehen werde. Aber ich
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