Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen
log: „Das weiß ich nicht.“
Wir schwiegen lange, und um seinen Blick zu meiden, trank ich von meinem Ale und gab vor, der Bedienung hinterherzuschauen, und als Reginald sich schließlich nach vorn beugte, um eingehender über meine bevorstehende Reise nach Korsika zu sprechen, war ich über diesen Wechsel des Gesprächsthemas froh.
II
Draußen trennten sich unsere Wege, und wir gingen zu unseren Kutschen. Als meine ein Stück gefahren war, klopfte ich an die Decke, das Zeichen zum Anhalten. Mein Kutscher kletterte vom Bock, schaute nach links und rechts, um sich zu vergewissern, dass er nicht beobachtet wurde, öffnete den Schlag und stieg zu mir herein. Er setzte sich mir gegenüber, nahm seinen Hut ab, legte ihn neben sich auf den Sitz und schaute mich mit wachen, neugierigen Augen an.
„Nun, Master Haytham?“, fragte er.
Ich erwiderte seinen Blick, holte tief Luft und sah dann zum Fenster hinaus. „Ich reise heute Abend per Schiff ab. Wir fahren zurück zum Queen Anne’s Square, damit ich packen kann, und dann gleich weiter zum Hafen.“
Er lupfte eine imaginäre Kappe. „Stets zu Diensten, Mr Kenway, Sir. Ich gewöhne mich an das Kutschefahren. Auf die langen Wartereien könnte ich zwar gut verzichten, aber davon abgesehen wird man wenigstens nicht dauernd von den Franzosen unter Beschuss genommen – oder von den eigenen Offizieren. Ich würde sogar sagen, das ist der größte Vorteil dieses Jobs.“
Er konnte bisweilen sehr ermüdend sein. „Allerdings, Holden“, sagte ich mit einer Miene, die ihn eigentlich zum Schweigen bringen sollte, doch hegte ich diesbezüglich wenig Hoffnung.
„Wie auch immer, Sir, habt Ihr etwas in Erfahrung gebracht?“
„Nichts Konkretes, fürchte ich.“
Ich schaute wieder zum Fenster hinaus, rang mit Gefühlen von Zweifeln, Schuld und Untreue, und ich überlegte, ob es jemanden gab, dem ich wirklich vertraute – jemanden, der heute noch meine Loyalität verdiente und genoss.
Ironischerweise war Holden der Mann, dem ich am meisten traute.
Ich hatte ihn in den Vereinigten Niederlanden kennengelernt. Braddock hatte Wort gehalten und mir gestattet, mich unter seinen Männern umzuhören, ob sie etwas wussten über jenen „Tom Smith“, der am Galgen endete, aber es überraschte mich nicht, dass meine Nachforschungen sich als fruchtlos erwiesen. Niemand, den ich fragte, gab auch nur zu, diesen Smith gekannt zu haben, wenn er überhaupt Smith hieß – bis ich eines Nachts eine Bewegung vor meiner Tür hörte und mich auf meiner Liege aufsetzte, gerade rechtzeitig, um eine Gestalt auftauchen zu sehen.
Er war jung, Ende zwanzig, mit kurz geschorenem rötlichem Haar und einem lässigen, lausbübischen Lächeln. Das war, wie sich herausstellen sollte, Private Jim Holden, ein junger Bursche aus London, ein guter Mann, der wollte, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wurde. Sein Bruder gehörte zu den Männern, die an jenem Tag gehängt worden waren, an dem auch mein Leben fast zu Ende gewesen wäre. Er war hingerichtet worden, weil er Eintopf gestohlen hatte – das war alles, was er „verbrochen“ hatte. Er hatte eine Schüssel Eintopf gestohlen, weil er ausgehungert war. Schlimmstenfalls hätte er dafür ein paar Peitschenhiebe verdient, aber nein, man hatte ihn gehängt. Sein größter Fehler, so schien es, war es gewesen, dass er den Eintopf einem von Braddocks eigenen Leuten gestohlen hatte, einem Mitglied seiner privaten Söldnertruppe.
Von Holden erfuhr ich Folgendes: Die fünfzehnhundertköpfige Streitmacht der Coldstream Guards bestand in erster Linie aus Soldaten der englischen Armee wie ihm selbst, aber es gab darunter noch einen kleineren Kader von Männern, die Braddock persönlich auswählte – Söldner. Zu diesen Söldnern gehörten Slater und sein Helfer – und, was besorgniserregender war, auch die beiden Männer, die in den Schwarzwald geritten waren.
Keiner dieser Männer trug den Ring des Ordens. Sie waren Strolche und Schläger. Ich fragte mich, warum Braddock Männer dieser Sorte in seinen inneren Kreis aufnahm und keine Tempelritter? Je mehr Zeit ich mit ihm verbrachte, desto überzeugter war ich, die Antwort gefunden zu haben: Er entfernte sich vom Orden.
Jetzt richtete ich den Blick wieder auf Holden. Ich hatte in jener Nacht protestiert, aber er war ein Mann, der die Verderbtheit im Herzen von Braddocks Organisation geschaut hatte. Er war ein Mann, der Gerechtigkeit für seinen Bruder wollte, und deshalb konnte ich protestieren, so
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