Assassin's Creed: Der geheime Kreuzzug (German Edition)
Pfählen geführt, an denen die Wachen sie festbanden. Am einen Ende der Reihe war eine weinende Frau mit schmutzigem Gesicht, neben ihr zwei Männer, die in Lumpen gekleidet waren. Dann kam der Assassine, dem das Kinn auf die Brust gesunken war. Man hatte ihn unübersehbar geschlagen und misshandelt. Die Zuschauer verliehen ihrem Missfallen lautstark Ausdruck.
„Bürger von Jerusalem, hört mir gut zu“, rief Majd Addin. Seine Stimme brachte die Menge zum Verstummen. „Ich stehe hier, um euch zu warnen.“ Er machte eine kurze Pause. „Es sind Nörgler unter euch. Sie säen Unzufriedenheit und hoffen, euch in die Irre zu führen.“
Ein unwilliges Murmeln ging durch die Zuschauer, von denen es rings um Altaïr nur so wimmelte.
Addin fuhr fort: „Sagt mir, ist es das, was ihr wollt? Hineingezogen zu werden in Trug und Sünde? Wollt ihr euer Leben in Angst zubringen?“
„Das wollen wir nicht“, schrie ein Zuschauer irgendwo hinter Altaïr, dessen Augenmerk jedoch ganz auf den Assassinen gerichtet war, Mitglied seiner eigenen Bruderschaft. Ein blutiger Speichelfaden lief dem Assassinen aus dem Mundwinkel und tropfte auf das Holz des Bodens. Er versuchte den Kopf zu heben, und Altaïr erhaschte einen Blick auf das blutige, zerschlagene Gesicht, das blau und verschwollen war. Dann sackte der Kopf wieder nach vorn.
Majd Addin zeigte ein schiefes Grinsen. Sein Gesicht schien nicht zum Lächeln geschaffen zu sein. „Dann wollt ihr also handeln?“, fragte er geradezu liebenswürdig.
Die Menge brüllte ihre Zustimmung heraus. Die Menschen waren hier, um Blut zu sehen. Sie wussten, dass der Regent ihren Durst nicht ungestillt lassen würde.
„Führt uns“, rief eine Stimme, als das Gebrüll sich legte.
„Eure Hingabe freut mich“, sagte Addin. Er wandte sich den Gefangenen zu und wies mit einer weiten Armbewegung auf sie. „Dieses Übel muss ausgemerzt werden. Nur dann dürfen wir hoffen, Erlösung zu finden.“
Da entstand vor dem Schafott auf einmal Unruhe. Eine Stimme schrie: „Das ist kein Akt der Gerechtigkeit!“
Altaïr sah einen Mann in zerrissener Kleidung. Er wandte sich direkt an Majd Addin. „Ihr verdreht die Worte des Propheten, Friede sei mit ihm!“
Der Mann war nicht allein. Sein Mitstreiter trug ebenfalls Lumpen, und er richtete das Wort vorwurfsvoll an die Menge. „Und ihr steht alle tatenlos daneben und lasst euch zu Komplizen dieses Verbrechens machen!“
Altaïr nutzte die Unruhe, um näher heranzukommen. Er musste an der Stelle auf das Schafott klettern, wo der Assassine an den Pfahl gefesselt war. Er durfte nicht riskieren, dass der Bruder als Schutzschild oder Geisel benutzt wurde.
„Gott verfluche euch alle“, rief einer der Männer, aber sie fanden keine Unterstützung. Nicht in der Menge und schon gar nicht unter den Wachen, die sich jetzt in Bewegung setzten. Die beiden Aufwiegler sahen die Gardisten kommen und wandten sich zur Flucht, zückten Dolche und fuchtelten damit herum, als sie vergebens versuchten, das Schafott zu stürmen. Einer der beiden wurde vom Pfeil eines Bogenschützen niedergestreckt. Der zweite Mann wurde von zwei Wachen bedrängt und übersah dabei einen dritten Sarazenen, der ihm mit dem Schwert den Bauch aufschlitzte.
Die zwei Männer lagen sterbend im Staub, und Majd Addin zeigte vom Schafott auf sie herab.
„Seht ihr, wie das Böse, das von einem Menschen ausgeht, auf andere übergreift?“, keifte er. Sein schwarzer Bart zitterte unter seinen wütend hervorgestoßenen Worten. „Sie wollten Angst und Zweifel in euch wecken. Aber ich werde für eure Sicherheit sorgen.“
Jetzt wandte er sich wieder an die unglückseligen Gefangenen, die gewiss gebetet hatten, dass der Anschlag auf sein Leben gelingen möge, nun aber stattdessen aus großen Augen und voller Entsetzen mit ansehen mussten, wie der Regent sein Schwert zog.
„Hier haben wir vier, die voller Sünde sind“, rief Addin und wies zuerst auf die Frau und dann der Reihe nach auf die anderen drei Gefangenen. „Die Hure. Der Spieler. Der Dieb. Der Ketzer. Möge Gott sein Urteil über sie fällen.“
Der Ketzer. Damit meinte er den Assassinen. Altaïr spannte sich und schob sich näher auf die Stufen an der Seite des Gerüsts zu, ohne Addin aus den Augen zu lassen, der als Erstes auf die Frau zuging. Die Prostituierte. Sie war nicht imstande, den Blick von dem Schwert abzuwenden, das Addin beinahe lässig in der Hand hielt, und fing unbeherrscht an zu heulen.
„Versucherin!“,
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