Assassin's Creed: Die Bruderschaft (German Edition)
sich, um sich seiner Dämonen zu entledigen, so wie ein Hund nach einem Bad das Wasser abschüttelt. Seine Gedanken drehten sich dennoch weiter um sein rätselhaftes Erlebnis in dem seltsamen Gewölbe unter der Sixtinischen Kapelle im Vatikan in Rom, jenem Bauwerk, aus dem er gerade in das blendende Sonnenlicht zurückgekehrt war. Alles um ihn her schien merkwürdig ruhig und normal – die Gebäude des Vatikans standen da wie immer und erstrahlten im hellen Licht des Tages. Die Erinnerung an das, was in dem Gewölbe vorgegangen war, kam wieder und überschwemmte Ezios Bewusstsein in gewaltigen Wogen. Er hatte eine Vision gehabt, eine Begegnung mit einer seltsamen Göttin – es gab kein anderes Wort, um dieses Wesen zu beschreiben –, von der er jetzt wusste, dass es sich um Minerva gehandelt hatte, die römische Göttin der Weisheit. Sie hatte ihm sowohl die tiefste Vergangenheit als auch die ferne Zukunft gezeigt und ihm mit diesem erlangten Wissen eine große Verantwortung auf die Schultern geladen.
Mit wem sollte er all das teilen? Wie hätte er irgendetwas davon erklären können? Es kam ihm alles so unwirklich vor.
Er wusste nach seinem Erlebnis – das wohl eher die Bezeichnung Feuerprobe verdiente – nur eines mit Bestimmtheit: Der Kampf war noch nicht vorüber. Vielleicht würde einst der Tag kommen, da er in seine Heimatstadt Florenz zurückkehren und sich mit seinen Büchern zur Ruhe setzen dürfte, da er im Winter mit seinen Freunden trinken und im Herbst mit ihnen auf die Jagd gehen, im Frühling den Mädchen nachlaufen und im Sommer die Ernte auf seinen Ländereien beaufsichtigen könnte.
Aber noch war diese Zeit nicht gekommen.
In seinem Herzen wusste Ezio, dass die Templer und all das Böse, das sie repräsentierten, noch nicht niedergerungen waren. Mit ihnen stand ihm ein Ungeheuer mit mehr Häuptern gegenüber, als die Hydra sie je besessen hatte – und sie zu bezwingen hatte es eines Mannes wie Herkules bedurft, der immerhin fast unsterblich gewesen war.
„Ezio!“
Die barsche Stimme seines Onkels riss ihn aus seinen rasenden Gedanken. Er musste sich zusammenreißen.
In Ezios Kopf tobte ein Feuer. Um sich zu beruhigen, sagte er lautlos seinen Namen vor sich hin: Ich bin Ezio Auditore da Firenze. Ich bin stark und ein Meister in den Traditionen der Assassinen.
Noch einmal ging er das Erlebte durch. Er wusste nicht, ob er geträumt hatte oder nicht. Die Worte und Offenbarungen der seltsamen Göttin in dem Gewölbe hatten alles, was er glaubte und für gegeben hielt, bis in die Grundfesten erschüttert. Es war, als sei die Zeit selbst auf den Kopf gestellt worden. Als er aus der Sixtinischen Kapelle trat, standen seine Freunde, die Assassinen, versammelt da, in ihren ernsten Mienen lag grimmige Entschlossenheit.
Dennoch verfolgte ihn nach wie vor nur der eine Gedanke: Hätte er Rodrigo töten sollen – um ganz sicherzugehen? Er hatte sich entschieden, es nicht zu tun, denn der Mann schien erpicht darauf gewesen zu sein, sich selbst das Leben zu nehmen, nachdem er sein letztes Ziel nicht hatte erreichen können.
Doch diese klare Stimme hallte immer noch in Ezios Kopf wider.
Und das war noch nicht alles – eine sonderbare Macht schien ihn zur Kapelle zurückzuziehen. Er spürte, dass dort noch etwas zu Ende zu bringen war.
Nicht Rodrigo. Nicht nur Rodrigo. Diesmal würde er ihm den Garaus machen. Aber da war noch etwas anderes .
„Was ist?“, fragte Mario.
„Ich muss zurück“, sagte Ezio, der von Neuem spürte, dass das Spiel noch nicht vorbei war und dass er den Apfel noch nicht aus der Hand geben sollte. Er riss sich von seinem Onkel los und eilte zurück in die Düsternis. Mario bedeutete den anderen, dort zu bleiben, wo sie waren, und Obacht zu geben.
Dann folgte er Ezio.
* * *
Rasch erreichte Ezio die Stelle, an der er den sterbenden Rodrigo Borgia zurückgelassen hatte – doch der Mann war nicht mehr da! Ein reich verzierter, mit Blut befleckter Papstmantel aus Damast lag auf dem Boden, sein Besitzer jedoch war verschwunden. Abermals schloss sich die Hand, die in einem eiskalten stählernen Handschuh steckte, um Ezios Herz und schien es zu zerquetschen.
Die Geheimtür zum Gewölbe war geschlossen und kaum zu erkennen, doch als Ezio sich der Stelle näherte, an der sie sich seiner Erinnerung nach befand, schwang sie unter seiner Berührung auf. Er wandte sich nach seinem Onkel um und entdeckte zu seiner Überraschung Furcht in Marios Gesicht.
„Was befindet sich
Weitere Kostenlose Bücher