Assassin's Creed: Revelations - Die Offenbarung (German Edition)
lag. Im Raum standen Behältnisse, die einmal Artefakte enthalten haben mussten, jetzt jedoch leer waren. Auf den vielen Galerien, die um den Raum herum verliefen, reihte sich ein Bücherregal ans andere. Jeder Zentimeter der Wand war damit bedeckt.
Zu seinem Erstaunen sah Ezio allerdings, dass sie alle leer waren.
Er hatte indes keine Zeit, darüber nachzugrübeln, denn sein Blick wurde unwiderstehlich angezogen von einem mächtigen Eichenschreibtisch, der auf der anderen Seite des Raumes auf einem hohen Podium stand. Von irgendwo darüber fiel helles Licht darauf – wie auch auf die hochgewachsene Gestalt, die hinter dem Schreibtisch saß.
Jetzt verspürte Ezio so etwas wie Ehrfurcht, denn in seinem Innersten wusste er gleich, wer das war. Er näherte sich in Demut, und als er so nahe heran war, dass er die Gestalt mit der Kapuze auf dem Stuhl hätte berühren können, fiel er auf die Knie.
Die Gestalt war tot, und das schon seit langer Zeit. Dem Umhang und der weißen Kleidung jedoch hatten die vergangenen Jahrhunderte nichts anhaben können, und selbst in seiner Reglosigkeit strahlte der Tote noch … irgendetwas aus. Eine Art Macht, aber keine irdischen Ursprungs. Ezio hatte seine Reverenz bezeigt und erhob sich wieder. Er wagte es nicht, die Kapuze anzuheben, um in das Gesicht darunter zu blicken, aber er betrachtete die langen Knochen der skelettierten Hände, die auf der Platte des Schreibtischs lagen, als würden sie daran kleben. Auf dem Schreibtisch befanden sich eine Schreibfeder, leere Blätter aus Pergamentpapier und ein eingetrocknetes Tintenfass. Unter der rechten Hand der Gestalt lag ein runder Stein, ähnlich den Schlüsseln zur Tür, aber feiner gearbeitet und aus dem erlesensten Alabaster, den Ezio je gesehen hatte.
„Keine Bücher.“ Ezios Stimme tropfte in die Stille. „Keine Artefakte … Nur Ihr, fratello mio.“ Er legte dem toten Mann behutsam eine Hand auf die Schulter. Sie waren nicht blutsverwandt, doch die Bande der Bruderschaft verknüpften sie fester miteinander, als die einer Familie es je vermocht hätten.
„Requiescat in Pace, o Altaïr!“
Er sah nach unten, weil er glaubte, aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrgenommen zu haben. Aber da war nichts – nur der Stein auf dem Schreibtisch lag auf einmal nicht mehr unter der knöchernen Hand. Aber vielleicht hatte Ezio sich nur eingebildet, sie hätte darauf gelegen. Eine Täuschung des Lichts. Weiter nichts.
Ezio wusste instinktiv, was er zu tun hatte. Mit einem Feuerstein entzündete er einen Kerzenstummel, der in einer Halterung auf dem Schreibtisch steckte, und betrachtete den Stein eingehender. Er streckte die Hand danach aus und nahm ihn auf.
In dem Moment, da er ihn in der Hand hielt, begann der Stein zu leuchten.
Ezio hob ihn vor sein Gesicht, und dann wirbelten auch schon vertraute Wolken und hüllten ihn ein …
76
„Bagdad wurde geplündert, sagst du?“
„Ja, Vater. Hulagu Khans Mongolen sind wie eine Feuersbrunst über die Stadt gekommen. Niemand wurde verschont. Er ließ ein Wagenrad aufstellen, und die Bewohner der Stadt mussten der Reihe nach daran vorbeigehen. Und jedermann, dessen Kopf über die Nabe ragte, wurde umgebracht.“
„Dann blieben also nur die Jungen und Gefügigen übrig?“
„So ist es.“
„Hulagu ist nicht dumm.“
„Er hat die Stadt zerstört. Sämtliche Bibliotheken niedergebrannt. Die Universität geschleift. Alle Gelehrten ermordet. Einen solchen Holocaust hat die Stadt noch nie gesehen.“
„Und ich bete, dass es nie wieder dazu kommen wird.“
„Dein Wort in Gottes Ohr, Vater.“
„Ich muss dich loben, Darim. Es war gut, dass du dich entschieden hast, nach Alexandria zu segeln. Hast du dich um meine Bücher gekümmert?“
„Ja, Vater. Diejenigen, die wir nicht mit den Gebrüdern Polo schickten, habe ich auf Wagen nach Latakia gesandt, damit sie von dort aus verschifft werden.“
Altaïr saß vornübergebeugt an der offenen Tür der Bibliothek und zugleich Archivs mit der Kuppeldecke, die jetzt leer war. Seine Hände hielten eine kleine hölzerne Kiste umfasst. Darim fragte wohlweislich nicht, was sich darin befand.
„Gut. Sehr gut“, sagte Altaïr.
„Aber es gibt da noch etwas. etwas Grundlegendes, das ich nicht verstehe“, sagte Darim. „Warum hast du im Laufe so vieler Jahrzehnte eine derart gewaltige Bibliothek angelegt, wenn du doch nicht vorhattest, deine Bücher zu behalten?“
Altaïr winkte ab. „Darim, du weißt sehr wohl, dass ich meine
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