Assassin's Creed: Revelations - Die Offenbarung (German Edition)
das zu beschaffen sie ein Vermögen gekostet hatte – am allerwenigsten stand.
„Was habt Ihr vor?“, fragte sie ihn.
Er seufzte. „Ich werde nach Rom zurückkehren. Meine Arbeit hier ist getan.“ Er hielt inne. „Und Ihr?“
„Ich werde wohl hierbleiben. So weitermachen wie bisher. Auch wenn Azize eine bessere Verkäuferin ist, als ich es jemals war.“
„Vielleicht solltet Ihr etwas Neues ausprobieren.“
„Ich weiß nicht, ob ich mir das zutrauen würde, so ganz allein. Mit Büchern kenne ich mich aus. Obwohl … “ Sie verstummte.
„Obwohl?“
Sie sah ihn an. „In den vergangenen Monaten habe ich gelernt, dass es auch jenseits der Bücherwelt ein Leben gibt.“
„Das Leben selbst findet nie in Büchern statt.“
„Ihr sprecht wie ein wahrer Gelehrter!“
„Das Leben zieht in Bücher ein. Nicht umgekehrt.“
Sofia musterte ihn. Sie fragte sich, wie lange er noch zögern würde. Ob er jemals wirklich zur Sache käme. Ob er es wagen würde. Ob er es überhaupt wollte – ein Gedanke, den sie gar nicht aufkommen lassen wollte – und ob sie ihm auf die Sprünge helfen sollte. Auf ihrer Reise nach Adrianopolis ohne ihn hatte sie zum ersten Mal gemerkt, was mit ihr geschah, und sie war sich ziemlich sicher, dass es ihm genauso erging. Sie liebten sich, natürlich liebten sie sich. Aber wonach sie sich wirklich sehnte, dazu war es noch nicht gekommen.
Lange Zeit saßen sie schweigend am Tisch.
„Azize hat sich im Gegensatz zu Euch nicht von der Folter durch Ahmets Hand erholt“, sagte Ezio schließlich und schenkte ihnen beiden bedächtig nach. „Sie hat mich gebeten, Euch zu fragen, ob sie hier arbeiten darf.“
„Und welches Interesse habt Ihr daran?“
„Dieser Laden wäre ein ausgezeichneter Stützpunkt für die seldschukischen Assassinen.“ Er korrigierte sich hastig: „In seiner zweiten Funktion natürlich. In erster Linie hätte Azize die Möglichkeit, eine ruhigere Rolle im Orden zu übernehmen. Das heißt, wenn Ihr … “
„Und was soll aus mir werden?“
Er schluckte hart. „Ich … ich habe mich gefragt, ob … “
Er ließ sich auf ein Knie nieder.
Ihr Herz schlug wie verrückt.
80
Sie beschlossen, dass es am besten sei, in Venedig zu heiraten. Sofias Onkel war Generalvikar von Santa Maria Gloriosa die Frari im San-Polo-Viertel und hatte sich erboten, die Trauung vorzunehmen. Sobald er erfahren hatte, dass Ezios verstorbener Vater der hoch angesehene Bankier Giovanni Auditore gewesen war, hatte er der Heirat von Herzen seinen Segen gegeben. Ezios Verbindung zu Pietro Bembo hatte auch nicht geschadet, und auch wenn Lucrezia Borgias ehemaliger Liebhaber nicht persönlich dabei sein konnte, weil er in Urbino weilte, zählten zu den Gästen doch der Doge Leonardo Loredan und der aufstrebende junge Maler Tizian Vecelli, der – hingerissen von Sofias Schönheit und neidisch auf Dürers Gemälde von ihr – als Hochzeitsgeschenk anbot, zum Freundschaftspreis ein Doppelporträt von ihnen zu malen.
Die Bruderschaft der Assassinen hatte Sofia einen großzügigen Preis für ihren Buchladen bezahlt. Darunter, in der Zisterne, die Ezio entdeckt hatte, waren die fünf Schlüssel von Masyaf versteckt, eingemauert und versiegelt. Und auch Azize, obwohl traurig, sie gehen zu sehen, hatte sich über ihre neue Aufgabe gefreut.
Sie blieben einige Monate in Venedig. Das erlaubte Sofia, sich mit ihrer Heimat, die sie kaum kannte, vertraut zu machen und ihre noch lebenden Verwandten kennenzulernen. Doch als sich das Jahr dem Ende zuneigte, wurde Ezio allmählich ruhelos. Er hatte ungeduldige Briefe von Claudia aus Rom erhalten. Papst Julius II ., lange Zeit der Schutzherr der Assassinen, näherte sich seinem 69. Geburtstag und kränkelte. Die Nachfolge war noch ungewiss, und die Bruderschaft brauchte Ezio vor Ort, damit er sich in der Interimsphase nach Julius’ Tod um alles kümmerte.
Doch Ezio schob jedwede Reisevorbereitung auf, obwohl er durchaus besorgt war.
„Ich möchte mich nicht mehr mit diesen Angelegenheiten befassen müssen“, sagte er, als Sofia eine entsprechende Frage stellte. „Ich will endlich Zeit haben, selbst zu denken.“
„Und vielleicht auch, um an dich selbst zu denken.“
„Das vielleicht auch.“
„Aber du hast trotzdem noch eine Pflicht.“
„Ich weiß.“
Er hatte noch andere Dinge im Kopf. Der Führer des nordeuropäischen Zweigs der Bruderschaft, Desiderius Erasmus, hatte Claudia aus dem Queens’ College in Cambridge, wo der
Weitere Kostenlose Bücher