Assassin's Creed: Revelations - Die Offenbarung (German Edition)
wer dein Nachfolger werden soll?“
„Ja.“
„Machiavelli?“
Ezio schüttelte den Kopf. „Er würde das Amt nie übernehmen. Er ist viel zu sehr Denker als Führer. Aber die Aufgabe bedarf eines starken Geistes, und das sage ich in aller Bescheidenheit. Es gibt einen unter deinen Leuten, den wir abgesehen von seinen diplomatischen Missionen nie zu Hilfe gerufen haben, dem ich auf den Zahn gefühlt habe und der meiner Ansicht nach bereit ist.“
„Und du meinst, die anderen Niccolò selbst, Bartolomeo, Rosa, Paola und Il Volpe werden ihn wählen?“
„Ich glaube schon.“
„Wen hast du im Sinn?“
„Lodovico Ariosto.“
„Den?“
„Er war zweimal Botschafter der Stadt Ferrara im Vatikan.“
„Und Julius hätte ihn fast umbringen lassen.“
„Das war nicht seine Schuld. Julius lag zu der Zeit im Streit mit Herzog Alfonso.“
Claudia sah ihn verblüfft an. „Ezio, hast du den Verstand verloren? Weißt du nicht mehr, mit wem Alfonso verheiratet ist?“
„Doch, mit Lucrezia.“
„Lucrezia Borgia .“
„Sie führt heute ein ruhiges Leben.“
„Erzähl das mal Alfonso! Außerdem ist Ariosto krank … und beim heiligen Sebastian, er ist ein Sonntagsdichter! Ich habe gehört, er arbeitet an irgendwelchem Quatsch über Sieur Roland.“
„Auch Dante war ein Dichter. Ein Dichter zu sein, schadet nicht gleich der Männlichkeit, Claudia. Und Lodovico ist erst achtunddreißig, er hat die richtigen Verbindungen, und vor allem ist er dem Credo treu.“
Claudia schaute vergrämt drein. „Genauso gut hättest du Castiglione fragen können“, brummte sie. „Der ist ein Sonntags schauspieler .“
„Meine Entscheidung steht fest“, erklärte Ezio in einem Ton, der keinen Widerspruch mehr duldete. „Aber wir werden es dem Rat der Assassinen überlassen, sie zu bestätigen.“
Claudia schwieg eine ganze Weile, dann lächelte sie und sagte: „Es stimmt, du brauchst eine Pause, um dich auszuruhen, Ezio. Vielleicht bräuchten wir die alle. Aber was hast du jetzt vor?“
„Ich weiß es noch nicht genau. Ich glaube, ich würde Sofia gern Florenz zeigen.“
Claudias Miene wurde traurig. „Von den Auditores ist nicht mehr viel übrig, was du ihr zeigen kannst. Annetta ist tot. Wusstest du das?“
„Annetta? Wann ist sie gestorben?“
„Vor zwei Jahren. „Ich dachte, ich hätte es dir geschrieben.“
„Nein.“
Sie schwiegen beide und dachten an ihre alte Haushälterin, die ihnen treu geblieben war und sie zu retten geholfen hatte, nachdem ihre Familie und ihr Zuhause vor über dreißig Jahren von den Templern zerstört worden waren.
„Ich führe sie trotzdem hin.“
„Und was willst du dort tun? Willst du dortbleiben?“
„Ich weiß es wirklich nicht, Schwester. Aber ich dachte … wenn ich ein passendes Plätzchen finde … “
„Wofür?“
„Vielleicht baue ich Wein an.“
„Damit kennst du dich doch gar nicht aus!“
„Aber ich kann es lernen.“
„Du? Auf einem Weinberg? Beim Traubenschneiden?“
„Ich weiß immerhin, wie man eine Klinge führt.“
Sie sah ihn spöttisch an. „Brunello di Auditore, wie? Und was willst du sonst noch machen? Zwischen den Lesen?“
„Nun, ich würde mich ganz gern einmal als Schriftsteller versuchen.“
Claudia explodierte fast.
82
Später sollte Claudia immer wieder gern zu Besuch auf das Anwesen in den Hügeln über Florenz kommen, das Ezio und Sofia in baufälligem Zustand vorgefunden und das sie trotzdem gekauft und mittels des Geldes aus dem Verkauf des Buchladens in Konstantinopel und Ezios eigenem Kapital renoviert hatten. Innerhalb von zwei Jahren machten sie daraus ein zwar bescheidenes, aber recht profitables Weingut.
Ezio wurde schlank und sonnengebräunt und trug tagsüber die Kleidung eines Arbeiters. Sofia neckte ihn und sagte, seine Hände würden von der Arbeit an den Rebstöcken zu rau und knotig, um noch für die Liebe zu taugen. Doch das hatte sie nicht davon abgehalten, im Mai 1513 Flavia das Leben zu schenken und ein Jahr später, im Oktober, Marcello.
Claudia liebte ihre Nichte und ihren Neffen beinahe mehr, als sie es für möglich gehalten hätte. Sie achtete allerdings darauf, dass sie in Folge ihres Altersunterschieds von zwanzig Jahren für Sofia nicht zu einer Ersatzschwiegermutter wurde. Sie mischte sich nie ein und beschränkte ihre Besuche auf dem Anwesen ihres Bruders und seiner Familie auf die Hälfte der Zahl, die sie eigentlich gern gekommen wäre. Außerdem hatte sie in Rom einen neuen Ehemann,
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