Assassin's Creed: Revelations - Die Offenbarung (German Edition)
in der Hand. Der Rest des Seils, aus dem sie geknüpft war, schleifte hinter ihm her.
„Ich sehe hier keinen Adler“, sagte der Hauptmann. „Ich wette, die Bussarde werden nicht länger als drei Tage brauchen.“
„Ich lasse es Euch wissen“, erwiderte Ezio ruhig.
Ein ganzer Pulk von Wachen hatte sich hinter dem Hauptmann versammelt, aber er zog Ezio selbst die Kapuze vom Kopf, streifte ihm die Schlinge über und zog sie um seinen Hals fest.
„Jetzt!“, sagte der Hauptmann.
Jetzt!
Genau in dem Moment, als er die Hände des Hauptmanns auf seinen Schultern spürte, bereit, ihn in die Tiefe zu stoßen, hob Ezio den rechten Arm, beugte ihn und rammte den Ellbogen brutal nach hinten. Während der Hauptmann mit einem Aufschrei zurück- und gegen seine Männer taumelte, bückte sich Ezio und nahm das Seil auf, duckte sich zwischen drei Männern hindurch, drehte sich und schlang es dem Hauptmann um den Hals. Dann sprang er von der Plattform ins Leere.
Der Hauptmann versuchte noch, zurückzuweichen, aber es war zu spät. Unter der Wucht von Ezios Gewicht krachte er auf die Bretter, die förmlich erzitterten, als sein Kopf aufschlug. Das Seil spannte sich und brach dem Hauptmann fast das Genick. Er lief blau an, mit den Händen fuhr er sich an den Hals, er trat um sich und wehrte sich gegen den Tod.
Unter sämtlichen Flüchen, die sie kannten, zogen die Wachen ihre Schwerter, traten rasch vor und hackten nach dem Seil, um ihren Hauptmann zu befreien. War das Seil erst durchtrennt, würde dieser verdammte Ezio Auditore 150 Meter tiefer auf den Felsen zu Tode stürzen, und solange er nur starb, was kam es da darauf an, wie es geschah?
Ezio hing am Ende des Seils und drehte sich im Leeren, beide Hände zwischen Schlinge und Hals gezwängt, damit das Seil ihm nicht die Luft abschnitt. Sein Blick glitt zur Burg. Er hing dicht an der Mauer. Es musste doch etwas geben, woran er Halt finden konnte. Sollte das jedoch nicht der Fall sein, dann war es immer noch besser, so zu sterben, als jämmerlich abzutreten.
Über ihm, auf der gefährlich schwankenden Plattform, gelang es den Wachen endlich, das Seil zu durchtrennen, das unterdessen den Hals des Hauptmanns blutig gescheuert hatte. Und Ezio fiel wieder und fiel …
Doch in dem Moment, da er merkte, wie sich das Seil lockerte, schwang er seinen Körper näher an die Burgmauer heran. Masyaf war von Assassinen für Assassinen erbaut worden. Die Festung würde ihn nicht im Stich lassen. Er hatte ein Stück abgebrochenes Gerüstmaterial entdeckt, das fünfzehn Meter tiefer aus der Mauer lugte. Im Sturz lenkte er seinen Körper darauf zu. Er erwischte es, stöhnte jedoch vor Schmerz auf, als ihm der scharfe Ruck fast den Arm aus dem Schultergelenk riss. Aber das Gerüststück hielt, und er hielt sich fest und knirschte vor Anstrengung mit den Zähnen, als er sich daran hochzog, bis er es mit beiden Händen umfassen konnte.
Aber noch war es nicht vorbei. Die Wachen hatten sich oben über den Rand der Plattform nach vorn gebeugt und gesehen, was passiert war. Jetzt griffen sie nach allem, was sie auf ihn herabwerfen konnten, um ihn doch noch abstürzen zu lassen. Fels- und Mauerbrocken und zersplittertes Holz hagelten auf ihn nieder. Ezio schaute sich verzweifelt um. Links von ihm reichte ein Steilhang bis an die Mauer heran, sechs, sieben Meter entfernt von der Stelle, an der er sich gerade befand. Wenn es ihm gelänge, ausreichend Schwung zu holen, um die Distanz zu überwinden, bestand eine kleine Chance, dass er den Hang hinabrollen konnte. An dessen Fuß machte er die Kante einer Steilwand aus, von der aus sich eine bröckelnde Steinbrücke über eine Schlucht spannte; auf der anderen Seite führte dann ein schmaler Pfad am Berg entlang.
Ezio duckte sich unter dem Trümmerregen von oben und fing an, hin- und herzuschwingen. Seine Hände fanden kaum Halt an dem eisglatten Holz, aber er krallte sich daran fest, und schon bald gewann er an Schwung. Dann kam der Augenblick, da er spürte, dass er sich nicht länger festhalten konnte und es riskieren musste. Er legte seine ganze Kraft in einen letzten Schwung, warf sich, als sein Körper wieder nach vorn pendelte, ins Leere und segelte, die Arme ausgebreitet wie ein Adler seine Schwingen, durch die Luft auf den Steilhang zu.
Er schlug schwer und unglücklich auf, die Wucht presste ihm den Atem aus den Lungen. Ehe er sein Gleichgewicht wiederfinden konnte, rollte er schon den holprigen Hang hinunter, schaffte es aber,
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