Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aster, Christian von - Die grosse Erdfer

Aster, Christian von - Die grosse Erdfer

Titel: Aster, Christian von - Die grosse Erdfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zwerg und Uberzwerg
Vom Netzwerk:
mussten sich bei nahezu allem begaffen lassen, und von ihren laschen Visionen einmal abgesehen, pflegten die Zwerge ihre persönliche Zukunft auch noch aus dem Stuhlgang, den blauen Flecken und dem Barthaar der Seher zu lesen. Die Seher waren das Eigentum der Gemeinschaft, und der einzige Weg, den sie alleine gingen, war der in die Hohe Höhle. Selbst aus dem bisschen Rauch, das von ihnen übrig blieb und aus dem Feuerloch herausströmte, wenn sie nach dem Tod verbrannt wurden, glaubten einige noch Botschaften herauslesen zu können. Nein, die Seherei war ein jämmerliches Geschäft…
    Doch hier und diesem Moment bedurfte er keines Sehers und keines Wissenden, um das Ende des Ehernen Volkes mit großen Schritten näher kommen zu sehen.
    Es konnten kaum mehr als tausend Eier übrig sein. Die Gänge würden sich leeren. Stollen würden brachliegen, und irgendwann würden sich bloß noch die Tausendjährigen an die Zeit erinnern, als die Wurzel des Ehernen Volkes noch fest im Felsen stak.
    Und dann würden die Trolle kommen. Trolle, die Weiber hatten. Weiber, die weitere Trolle gebaren…
    Heiße Tränen stiegen Fazzgadt in die Augen. Tränen, die nicht allein dem toten Freund, sondern auch einem sterbenden Volk gewidmet waren. Was war das nur für ein Schicksal, das einem Volk seine Frauen nahm?
    Doch er würde seine Aufgabe gut machen. Er würde die Söhne Hrodborrks auf die Welt bringen. Ob sie nun Teil eines sterbenden Volkes waren oder nicht. Sie würden das Licht der Gänge erblicken, und er würde sie lehren, gute Zwerge zu sein. Er würde ihnen die Geschichten ihrer Väter erzählen, Hrodborrks gesamte Ahnenreihe. Er würde ihnen beibringen, verschiedene Steinarten zu unterscheiden, Erz zu brechen, Bohrwürmer anzusetzen und Trolle zu jagen. Er würde mit ihnen am Feuer sitzen, sie vom Aberglauben fernhalten und ihnen von ihrem Vater erzählen, ihrem Vater, auf den sie stolz sein konnten, da seine Vorfahren einst das Feuer erfunden hatten.
    Die Tränen quollen aus seinen Augen und kullerten über die faltigen Tränensäcke seine zerfurchten Wangen hinab, um in seinem gefrorenen Bart schließlich zu Eis zu werden. Es waren Tränen der Trauer. Doch während er sie weinte, stand Fazzgadt aufrecht. Es war nichts zu trinken mehr übrig, womit er sich über das Wesen dieser Tränen hätte hinwegtäuschen können. Aber das hätte er nun auch nicht mehr gewollt. Nicht an diesem Ort, wo Aberglaube sich von Wahrheit schied, wo Magie und Trauer sich vermengten und das Schicksal der Zwerge offenbar wurde.
    Alles, was ihm zu tun blieb, war, gemäß der Gesetze des Kalten Schoßes, die beiden Eier auszuwählen, aus denen die Söhne Hrodborrks schlüpfen würden. Wie für alles andere auch gab es natürlich auch dafür Regeln. Regeln waren die Stützbalken auf den Wegen der Ordnung. Kein Weg ohne Stützbalken. Keine Ordnung ohne Regeln.
    Fazzgadt wusste und respektierte das. Und die Regeln besagten, dass er seine Eier aus den vorderen Regalen wählen musste. Von vorn nach hinten, von rechts nach links, auf dass die Ersten die Ersten blieben und die Ordnung der Dinge gewahrt war.
    Unsicher schritt er zwischen den ersten Säulenreihen hindurch. Leer mahnten ihm ihre Kammern entgegen. Grässliche Schlünde der Vergänglichkeit. Aus einem war er selbst hervorgegangen, damals, kurz nach dem Ende der Frauen, als ihre Väter den Kalten Schoß in Eis und Fels geschlagen hatten.
    Fazzgadts Beine zitterten, als er, den Regeln entsprechend, seine Hand nach dem ersten Ei ausstreckte, das er in der nächsten Säule fand, die noch nicht von seinen Vätern geleert worden war.
    Er strich über die Schale des Eis. Sie fühlte sich gut an. Glatter, fester Stahl, dessen eisige Kälte sogar noch durch Fazzgadts grobe lederne Handschuhe drang. Ein gutes Ei. Würdig, den Sohn seines besten Freundes zu beherbergen.
    Er rammte die Fackel in eine Halterung neben der Kammer und nahm dann das Ei heraus. Dem Brauch folgend musste er zwei Eier aus dem Kalten Schoß bergen, zwei Söhne, die das zwergische Erbe seines Bartbruders antreten würden.
    Das erste Ei war schwerer, als er gedacht hatte. Und wenn er sich vorstellte, mit zwei dieser Dinger auf dem Rücken den Weg der Erneuerung wieder zurückzuwanken, wurde ihm ganz anders zumute. Anders noch, als ihm ohnehin schon geworden war, als ihm klar wurde, was dieser Weg ihn bis hierhin schon gekostet hatte. Das Auffüllen des Trauertrunks durch die Wurzelmeister war alles andere als billig gewesen.

Weitere Kostenlose Bücher