Aster, Christian von - Die grosse Erdfer
hier am Kalten Schoß, Zwerg!«, fuhr der Wachtposten fort. »Hier gibt es Regeln. Wir können da nicht einfach reingehen und Eier zählen. Dort kann nur einer reingehen. Und dieser eine…«, er wies den Gang hinunter, »… kommt von dort und hat keine Eier in der Trage.«
Nun trat auch der andere Wachtposten vor. »Und das, Zwerg, bedeutet, dass hier gerade niemand ist, der berechtigt wäre, dieses Tor zu durchschreiten und den Schoß zu betreten…«
Fassungslos starrte Fazzgadt ihn an. Doch ein Blick in die Augen seines Gegenübers reichte ihm aus. Er kannte Zwerge wie ihn. Feige Dünnbärte, die in unsicheren Situationen nichts anderes zu tun wussten, als sich verzweifelt an das zu klammern, was sie einmal gelernt hatten. Einen solchen Zwerg von seiner Meinung abbringen zu wollen war sinnlos.
Er überlegte fieberhaft. Unter dem Helm trat ihm Schweiß auf die Stirn. Sie würden ihn nicht einmal das falsche Ei umtauschen lassen, sondern würden wiederum auf die ehernen Traditionen pochen. Fazzgadt hatte zwei Eier aus dem Kalten Schoß geholt. Und in diesen wuchsen die Söhne Hrodborrks, seines Bartbruders, heran. So war es Recht und Gesetz. Egal, was für Eier es waren. Dies war das Wesen zwergischer Regeln. Dinge mochten sich ändern, doch zwergische Regeln taten es nicht…
Ich muss mir etwas anderes einfallen lassen, dachte sich Fazzgadt. Er wusste nicht viel über mechanische Magie, aber zumindest, dass es in der Nähe des Schoßes, wie an allen wichtigen Punkten des Imperiums, eine magische Kammer geben musste. Auf diesem Weg konnten die Wachen im Notfall innerhalb kürzester Zeit zum Verwalter gelangen. Vielleicht konnte er die Kammer benutzen…
Der Große Verwalter musste erfahren, was hier vor sich ging! Damit er Nachforschungen anstellen und dem Übel Einhalt gebieten konnte. Fazzgadt wandte sich wieder an den linken Wachtposten.
»Gut. Halten wir uns also an die Regeln. Sagt, habt ihr hier eine magische Kammer?«
»Ja, aber die ist nur für Notfälle da«, erwiderte einer der Wachtposten pflichtbewusst.
»Aber versteht ihr denn nicht? Dies ist das Ende von Zwerg und Zwergeszwerg, das Ende von allem und dem Rest! Es ist ein Notfall!«
Wieder wandten sich die beiden Wachtposten ab und tuschelten leise miteinander. Schließlich war es der linke, der zurückkam und Fazzgadt zunickte. »Gut. Ein Notfall also. Unter diesen Umständen kannst du die magische Kammer freilich benutzen…«
Fazzgadt atmete auf. Der Wachtposten aber war noch nicht fertig: »… sobald du einen Notzoll entrichtet hast, wie wir ihn in derartigen Situationen für Nichtgardisten erheben müssen.« Auf die Idee war der Wachtposten selber gekommen. Gerade eben. Und durch diesen Notzoll, der zufällig genau der Menge Goldes entsprach, die Fazzgadt noch bei sich trug, würde er die eine oder andere verlorene Wette kompensieren können.
Kaum dass er sein Gold hergegeben hatte, ließ Fazzgadt sich zähneknirschend von den Wachen in ihr karges Quartier führen. Dort bedeutete der nun erheblich besser gelaunte Gardist ihm, eine stählerne Luke zu öffnen. Dahinter lag die magische Kammer. Die Röhre mit den magischen Steinen und dem Hebel, der die Vorrichtung auslöste, kannte Fazzgadt aus Erzählungen. Nun sah er all das zum ersten Mal wahrhaftig vor sich. Das Ganze war allerdings weit weniger spektakulär als der Kalte Schoß selbst. Außerdem hatte es ihn sein letztes Gold gekostet.
Dementsprechend schlechter Laune schlüpfte Fazzgadt mitsamt seiner Trage durch die Luke. Und während die beiden Wachtposten noch sein Gold zählten, legte Fazzgadt den Hebel um. Er hörte die magischen Steine aufeinanderprallen, ein Blitz flammte auf, und dann löste er sich in Luft auf und verschwand aus der magischen Kammer des Kalten Schoßes, um dem Großen Verwalter von falschen Eiern, nahendem Unheil und dem Ende von Zwerg und Zwergeszwerg zu berichten.
Seit der Anführer der Geiselnehmer gegangen war, ruhte der Geknebelte unter den Vermummten gefesselt an der Wand der Orakelhöhle. Sie hatten ihm zwar einen Sack über den Kopf gezogen, doch er hörte genau, was sie taten. Sie schändeten das Orakel, warfen die Runensteine umher, kickten sie mit ihren dreckigen Stiefeln durch den Sand und ordneten sie neu an, wie es ihnen beliebte.
Am meisten aber beunruhigte den Hohepriester, dass sie die Runen kannten! Sie vermochten sie zu lesen und verhöhnten die heiligen Zeichen!
Das konnten keine gewöhnlichen Zwerge sein. Denn welcher gewöhnliche
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