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Astragalus

Titel: Astragalus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albertine Sarrazin
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verhaftet … Er hat nichts Genaues erklärt, die Zensur … Ginette war beim Untersuchungsrichter, wegen der Besuchserlaubnis. Am Sonnabend gehe ich zu ihm; die Sprechzeit ist fast immer sonnabends … Ich weiß nicht mal, ob er noch jeden Tag Besuch haben darf oder schon verurteilt ist, nichts.«
    »Aber … wann ist das denn passiert?«
    »Vor zwei Wochen, ganz sicher. Er war zwei Sonntage nicht hier, und er kommt jeden Sonntag, wenigstens fünf Minuten. Wenn er kann …«
    (»Draußen kann man vieles …«)
    Sie überreden mich, reinzukommen, mitzuessen. Die Kinder plappern, ganz glücklich, die Dame wiederzusehen, an die sie sich dunkel erinnern, von der sie aber nicht wussten, dass sie Beine hat und eine Tasche und darin Bonbons. Unter ihrem Lachen liegt die Schwere unserer Sorge. Ich bin nah bei der Mutter, unsere Liebe ist von gleicher Art. Aber Ginette – Bruderherz sitzt mal wieder. Wir werden unsere Gewohnheiten wieder aufnehmen müssen, den Weg zur Post wegen der Überweisungen und zum Gefängnis wegen der Sprechzeit. Aber was haben wir schon zu besprechen? Ginette sagt nichts, aber ich höre ihre Gedanken …
    Ungeschickt versuche ich, mein Geld anzubieten. Sie antworten mir: »Machen Sie sich keine Sorgen, er hat genug Unterstützung.« Die Pension der Mutter und das Gehalt des Schwagers reichen nicht, um das »genug« zu erklären; überhaupt ist noch jemand außer der Familie und mir im Raum, jemand, der sich einschleicht und aufdrängt. Der Schatten geht vorbei … Was soll diese Zurückhaltung? Sie können sich doch denken, dass ich Juliens Geliebte bin, oder? Dass sie mir ausreden, ihm zu schreiben, ist normal: Auch wenn er noch unter Anklage steht, niemand weiß, weswegen, hat mein Geschreibsel nichts auf dem Tisch des Untersuchungsrichters zu suchen; und wenn er verurteilt ist, darf er nur noch von seiner Familie Post bekommen. Aber eine Überweisung? Ein einziges Mal meinen Sparstrumpf leeren, zur Erinnerung an meinen Gipsstrumpf, meinen goldenen Strumpf.
    Natürlich könnte ich ihnen Geld dalassen, das sie unter ihrem Namen schicken würden; das wäre bescheiden und dezent … Aber ich bin weder bescheiden noch dezent, ich habe den Stolz der Liebenden, und Julien unter falschem Namen Kohle zukommen zu lassen, interessiert mich nicht. Für den ganzen Zaster, den Julien auf den Tisch gepackt hat, damit ich laufe, will ich mit meinem eigenen aufkommen, wenn es überhaupt möglich ist, mit ein paar erbärmlichen Riesen auf die barmherzige Liebe zu reagieren …
    (»Du schuldest mir gar nichts, mein kleiner Fratz! Ich stehe vielmehr in deiner Schuld.« Ja, Julien.)
    Im Zug, der mich nach Paris zurückbringt, überlege ich die ganze Zeit. Solange ich gesucht werde, ist die Gefahr immer gleich groß, egal, ob ich anschaffen gehe, stehle oder nur einen Schaufensterbummel mache; egal, wo ich auftauche, egal, was ich mache, es ist verboten. Weil ich da bin, anstatt im Knast zu sein.
    Der Knast, das ist mein gerader Weg.
    Julien ist statt meiner dorthin zurückgekehrt. Ich schlüpfe in das Gewand seines Leidens und setze in dieser Rüstung meinen und seinen Weg fort; wir gehen aufeinander zu, auf seltsamen Pfaden …
    Ich kann nicht so arbeiten wie er, aber ich bitte ihn, mir die Kraft und das Können zu leihen, das er nutzlos an der Garderobe abgegeben hat. Flöß mir ein, was mir fehlt, Julien, beschütze mich. Wie früher, wenn die Nacht dich nicht zurückbrachte und ich mit aufgewühltem Kopf und Herzen lauerte, werde ich nachts auf meine eigene Rückkehr lauern. Und alles, was ich von den Männern weiß, werde ich gegen sie verwenden.
    Die Geschichten der Freier gehen mir auf die Nerven, aber manchmal nimmt das Bewusstsein Bruchstücke wahr, ergänzt und präzisiert sie. So habe ich die Telefonnummer eines interessanten Typs in mein Notizbuch geschrieben; er ist Buchhalter, hat mit viel Geld zu tun, das er nicht nur zählt und bündelt, sondern auch hin und her transportiert, zur Bank und ins Büro. Diese Kette der Scheine ist für ihn das Gleiche wie die Ziegelsteine für den Maurer; ihm genügt am Monatsende nur ein kleines bisschen davon, um leben zu können und sich ab und zu einen Moment mit Mädchen wie mir zu leisten.
    Ich hatte vor, seinen Steckbrief an Julien weiterzureichen, hatte von Fesselung, Einbruch, Überraschungsoperation geträumt: immer noch diese Série Noire … Aber wenn ich den Tag durch die Nacht und das Schießeisen durch einen Schlüssel ersetze … Ich schleiche in die

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