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Astrella 02 - Brudernacht

Astrella 02 - Brudernacht

Titel: Astrella 02 - Brudernacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Frage löste Stille und nachdenkliche Blicke aus.
     
    Christoph Lemsack nahm seinen Terrier an die kurze Leine. Die zwei jungen Frauen, die ihm entgegenkamen, bemerkten es und dankten ihm mit einem freundlichen Lächeln, als sie an ihm vorbeigingen. Dies wiederum war Lemsack nicht entgangen, der daraufhin stolz seinen Hund tätschelte.
    »Siehst du, Bodo, wie die zwei Damen sich gefreut haben?«
    Bodo ging gleichmütig neben ihm her; die Hitze machte ihm offensichtlich zu schaffen. Entsprechend heftig zog er an der Leine, als sie bei der Commerzbank am ›Schad-Brunnen‹ vorbeikamen.
    »Ja, ja«, gab Lemsack nach und ließ sich von Bodo zum Brunnen ziehen. Er musste nur noch einen Beutel Milch und ein bisschen Fleisch und Wurst einkaufen. Nur nicht zu lange in der Stadt bleiben. Hier ging es Lemsack viel zu geschäftig zu. Und zu laut. Den jungen Leuten von heute musste alles immer laut sein und schnell gehen. Wahrscheinlich waren die meisten von ihnen bereits schwerhörig. Allein, wenn er daran dachte, wie laut sie in ihre Mobiltelefone hineinbrüllten, damit auch jeder ihre anscheinend lebenswichtigen Gespräche mithören konnte, ob er nun wollte oder nicht. Früher war das noch anders gewesen. Und nicht unbedingt schlechter. Da hatten noch Zucht und Ordnung geherrscht, wozu auch er selbst mit seiner klaren Einstellung beigetragen hatte. Zucht und Ordnung – beides waren heutzutage Fremdwörter. Aber er war zu alt, um dagegen anzukämpfen. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als schnellstmöglich seine Einkäufe zu erledigen und danach wieder in seine behaglichen vier Wände zurückzukehren. Er musste sich dieses ganze Tohuwabohu nicht antun. Und hätte er nicht in einem der Läden in Ravensburg etwas zu erledigen gehabt, wäre er sowieso nicht aus Weingarten heraus. Dort gefiel es ihm besser, schien ihm alles ein wenig ruhiger zu sein, auch wenn es direkt an Ravensburg grenzte.
    Lemsack wartete, bis Bodo seinen Durst gestillt hatte, und setzte dann seinen Weg fort. Als er über den Marienplatz hinweg in den Gespinstmarkt einbog und den ›Schlecker-Markt‹ auftauchen sah, grauste ihn bereits vor den vielen Leuten, die sich an ihm vorbeidrängen würden. Natürlich ohne Rücksicht auf ihn zu nehmen. Aber wann hatten die Leute schon mal Rücksicht auf die Alten genommen, außer wenn es um Sterbehilfe ging? Nun, wenigstens war es in dem Laden kühl, was ihm guttun würde. Nur musste er Bodo leider draußen lassen, und das bei dieser Hitze. Trotzdem konnte er sich nicht vorstellen, ohne seinen treuen Begleiter das Haus zu verlassen. Auch wenn er schon alt war, konnte er noch jedem Respekt einflößen, der ihm zu nah kam.
    Mit neuem Elan ging Lemsack die letzten Meter. Auf seinem Rücken zeichnete sich der Schatten einer Frau ab, die schulterlange Haare hatte.
     
    Snake wies Cash mit einem unauffälligen Kopfnicken auf den alten Mann hin, der soeben aus der Bank herauskam und, gestützt auf einen Gehstock, an ihm vorbeistiefelte. Gleich danach tippte Snake mit seiner rechten flachen Hand mehrmals hintereinander auf sein Herz, bevor er dem Alten mit einem Abstand von etwa zehn Metern nachsetzte. Dieser trug trotz der Hitze einen abgetragenen, nichtsdestoweniger gepflegten dunkelblauen Anzug sowie einen Hut, unter dem hervor seine hellen Augen zufrieden strahlten.
    Cash, der bis dahin scheinbar gelangweilt auf der anderen Straßenseite herumgelungert hatte, stapfte nun ebenfalls los. Auf seiner Stirn hatten sich während des langen Wartens in der prallen Sonne Schweißperlen gebildet, die er alle paar Minuten mit seinem rechten Handrücken abwischte.
    Es war Snake gewesen, der den Vorschlag gemacht hatte, sie sollten sich wieder mal mit Vorruhestandsgeld versorgen. Das bedeutete wie schon beim ersten Mal vor knapp einem halben Jahr, einem Rentner die Moneten abzuknöpfen.
    »Die sind doch auch froh, wenn sie nicht so viel mit sich rumschleppen müssen«, hatte Snake grinsend der Sache eine gute Seite abgewonnen. Cash hatte gelacht und sich mit dem Plan einverstanden erklärt, nachdem er zunächst noch gezögert hatte. Nicht deshalb, weil er etwa Angst gehabt hatte. Nein, darüber war er längst hinaus, seit er in der letzten Hauptschulklasse beim Abschlussfest einem widerlichen Pinky-Stinky-Typ zu einem neuen Gebiss verholfen hatte. Das Einzige, was er damals bereut hatte, war die Tatsache gewesen, dass er es nicht schon früher gemacht hatte, zumal er dem anderen körperlich deutlich überlegen gewesen war.

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