Astrella 02 - Brudernacht
Bewegung seines Hundes im Dunkel wahrnehmen. Erleichtert atmete er wieder aus und ließ sich nach hinten sinken. Währenddessen hatte Conny den Wagen gestartet und fuhr in Richtung Weingartner Innenstadt. Die Idee mit der Polizei war gar nicht so dumm. Unter Umständen konnte er diesen Alexander sogar wegen Tierquälerei anzeigen! Wenn Conny offenbar ohne Schwierigkeiten Auto fahren konnte, käme Alexander womöglich in Begründungsschwierigkeiten, was seine Schläge auf Bodo betraf.
Als sie rechts weg in die Bahnhofstraße abbogen, war Lemsack sich nicht mehr sicher, ob Conny tatsächlich auf dem richtigen Weg zur Polizei war. Gleichmäßig fuhr sie, ohne dass ein Ton über ihre Lippen kam, der auf irgendwelche Schmerzen hingewiesen hätte. Er begann sich zu ärgern. Warum nur musste dieser Tag auf diese Art und Weise enden? Warum hatte nicht alles so wie sonst sein können? Er hätte seine Runde gedreht, wäre noch rasch unter die Dusche gesprungen und danach ins Bett, um noch ein bisschen zu lesen und dann in den neuen Tag hineinzuschlafen. Nun saß er hier in diesem Auto mit zwei wildfremden Menschen, deren Bekanntschaft ihm durch unsinnige Umstände einfach aufgezwungen worden war.
Unvermittelt wurde Lemsack nach vorne gedrückt. Conny hatte jäh abgebremst. Er stellte fest, dass er trotz des ganzen Ärgers in den letzten Sekunden nicht mehr so aufmerksam gewesen war, wie er eigentlich hatte sein wollen.
Lemsack schaute sich kurz um. Links ging es ins Stadtzentrum von Weingarten, rechts nach Baienfurt. Sofort wurde ihm klar, dass sich die beiden in dieser Gegend hier nicht sonderlich gut auskannten; sonst wären sie anders zum Polizeirevier gefahren, das sie inzwischen längst hinter sich gelassen hatten. Warum war er nur eingenickt, anstatt sich auf den Weg zu konzentrieren?
Er wollte den beiden jungen Leuten gerade den richtigen Weg beschreiben, als Conny sich umdrehte und sich ein wenig zu ihm nach hinten beugte.
»Könnten Sie mir bitte meine Brille geben? Sie liegt direkt hinter Ihnen auf der Ablage.«
»Ja, natürlich, gern«, sagte Lemsack und drehte sich seinerseits um. Aber die Lichtverhältnisse waren so schlecht, dass er kaum etwas sah. Conny schien das zu bemerken.
»Es ist ein blaues Etui. Es muss direkt hinter Ihrer Kopfstütze liegen.«
Lemsack richtete sich etwas auf, um sich noch besser umdrehen zu können. Er spürte einen Stich unten an seinem Rücken und gestand sich ein, dass er doch nicht mehr der Jüngste war. Endlich hatte er das Etui gefunden. Er nahm es, drehte sich um und wollte es Conny geben. Doch die und dieser Alexander sahen ihn nur gespannt an. Plötzlich legte sich ein Schleier vor seine Augen und er fühlte sich unendlich müde. Kurz bevor der Schleier tiefer Nacht Platz machte, fiel ihm ein, woher er die junge Frau kannte: Er hatte sie in den letzten Wochen einige Male unten auf der Straße vor seiner Wohnung gesehen.
Lemsack war schockiert. An Armen und Beinen gefesselt lag er bäuchlings auf einem etwa zwei Meter langen Holzbrett. Er spürte die Druckstellen der Schnüre, die ihm an Unter-und Oberschenkel sowie an den rücklings gefesselten Handgelenken in die Haut schnitten.
Nachdem ihn die Ereignisse derart überrollt hatten, war er zunächst mehr oder weniger zusammengebrochen, zumal er, kaum aus seiner Ohnmacht erwacht, eine weitere Betäubungsspritze verpasst bekommen hatte. Lemsack hatte keine Ahnung, wo er war. Der Raum wurde lediglich von einer einzelnen, an einem Kabel hängenden Glühbirne schwach beleuchtet. Soweit er erkennen konnte, waren die beiden einzigen Fenster mit schwarzen Stoffvorhängen bedeckt und die Holzläden geschlossen.
Außer der Holzliege, die mitten im Raum stand, konnte Lemsack noch einen Sessel, zwei Stühle, einen Tisch, ein Sofa mit olivgrünem Stoffbezug sowie eine hüfthohe Kommode entdecken. Auf dieser standen zwei unterschiedlich große, stoffbedeckte Gegenstände, die er nicht weiter ausmachen konnte. Alles in allem wirkte der Raum mitsamt dem Holzboden und den Möbeln etwas heruntergekommen. Zumindest schien sich nur selten jemand darin aufzuhalten. Erst jetzt bemerkte er etwas anderes. Genau unterhalb seines Kopfs stand ein großer Bottich mit Wasser drin. Das Brett selbst lag auf irgendeinem Gestell und Lemsack begriff, was das bedeutete: Sie würden das Brett so nach vorne kippen können, dass er mit seinem Kopf unter Wasser kam. Obschon ihm diese Erkenntnis einen kalten Schauer über den Rücken jagte, beschäftigte
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