Astrella 02 - Brudernacht
Arzt um seine Hilfe gebeten hatte, stimmte dieser sofort zu. Gleich zu Beginn hatte er Astrella darauf aufmerksam gemacht, dass sich die Kripo bereits telefonisch danach erkundigt hätte, ob in den Unterlagen der Name Lemsack auftauche. Dem sei aber nicht so, hatte er noch hinzugefügt.
»Möchten Sie einen Kaffee?«, fragte ihn die sympathische Arzthelferin.
»Wenn Sie mir ein Glas Wasser hätten, wäre mir das fast lieber. Ich habe heute schon soviel Kaffee getrunken, dass ich mir wie ein Vulkan vorkomme, der kurz vor einem Ausbruch steht.«
»Na, das wollen wir natürlich vermeiden«, lachte sie und ging hinaus, um keine Minute später wieder mit einem Glas und einer Flasche Mineralwasser zurückzukehren.
Micha hatte sich in die Ecknische ganz hinten im ›Skin‹ gesetzt und wartete auf Maxi. Zwar war auch die Nische davor noch frei, doch er wollte nicht, dass ständig irgendjemand an ihrem Tisch vorbeiging, wenn er mit Maxi allein war. Er sah auf den Parkplatz hinaus, auf dem um diese Zeit etwa 40 Autos parkten, womit er gut zur Hälfte belegt war. Eigentlich gehörte der Platz zum benachbarten Einkaufscenter, doch es störte sich längst niemand mehr daran, wenn er von den Gästen des ›Skins‹ mitbenutzt wurde. Die Kneipe hatte zwar auf der Vorderseite noch ein paar Plätze, doch wurden diese oft von Kunden anderer Geschäfte und manchmal auch von Anwohnern belegt. Auch daran störte sich niemand.
»Immer dieses blöde ›Skin‹«, hatte Maxi genörgelt, als er ihr seine Stammkneipe am Vorabend als Treffpunkt vorgeschlagen hatte. »Meinst du, ich habe Lust darauf, ständig diesen Idioten deiner Stiefschwester zu begegnen?«
»He, was soll das? Danny ist in Ordnung.«
»Das mag sein. Nur frage ich mich dann erst recht, was sie mit solchen Typen zu tun hat.«
»Okay, okay! Wir können uns ja morgen überlegen, wo wir uns in Zukunft treffen.«
Nun saß er da und wartete. Er war extra früher gekommen, um Maxi keinen weiteren Grund zu liefern, sauer zu sein. Frauen waren schon was Komisches, das wurde ihm fortwährend klarer, seit er mit Maxi zusammen war.
Durch die dünne Nischenrückwand hörte Micha, wie sich zwei Männer in die Nische hinter ihm setzten. Ja, Frauen sind komisch, dachte er. Trotzdem liebte er Maxi von Tag zu Tag mehr. Im Grunde genommen hatte sie ja recht mit ihren Klagen über seinen Bekannten-und Freundeskreis.
»Das sind doch alle Schmarotzer!«, hatte sie ihm vor einigen Tagen vorgehalten. »Soweit ich das kapiert habe, interessiert sich doch kein Schwein von denen für dich. Die schwallen dich nur voll, um Zigaretten oder ’n paar Euro von dir einzusacken.«
»Ja, gut, aber das mache ich auch. Jeder gibt jedem und jeder nimmt von jedem.«
»Soll das heißen, dass du mich auch dieser Giftschlange überlassen würdest, wenn du nur auch etwas von ihm dafür bekommst?«
»He, jetzt spinn doch nicht! Was soll das Gequatsche? Du weißt genau, dass ich das nicht tun würde. Wer bin ich?«
»Das frage ich mich manchmal auch.«
Wieso mussten einem die Frauen das Leben nur so schwer machen? Obwohl er erst 25 Jahre alt war, fühlte Micha sich ab und an schon richtig alt. Seine Stiefmutter war so eine Frau, die einem Mann die Hölle heißmachen konnte. Und in seinen Augen hatte sie genau das bei ihm 12 Jahre lang gemacht. Micha verstand heute noch nicht, warum sein Vater diese Frau geheiratet hatte. Damals hatte er, Micha, sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, dass sie die Nachfolgerin seiner an Leukämie verstorbenen Mutter werden sollte. Wie konnte es jemals einen Ersatz für einen so wunderbaren Menschen geben, wie sie es gewesen war? Seine Stiefmutter hatte ihn von Anfang an nicht gemocht, und sich auch nicht sonderlich bemüht, dies ihm gegenüber zu verheimlichen. Umgekehrt war es nicht anders gewesen. Zu spüren bekommen hatte das vor allem ihr Hund, ein selten dämlicher Köter, den er mit seinen Streichen manches Mal zum Jaulen gebracht hatte. Danny, ihre Tochter, war da anders gewesen. Zwei Jahre älter als er, schien sie froh gewesen zu sein, endlich einen Spielkameraden im Haus zu haben und jemand, der die erdrückende Mutterliebe ablenkte. Zwar bekam Danny grundsätzlich die größeren und wertvolleren Geschenke als er. Doch Micha hatte ziemlich schnell gespürt, dass seine Stiefschwester deswegen nicht glücklicher war als er. Nachdem er den Realschulabschluss mit Ach und Krach geschafft und überraschend schnell eine Lehrstelle in einem Sanitär-und
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