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Asylon

Asylon

Titel: Asylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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dann hast du es
eventuell mit der halben Polizei zu tun.«
    »Verstärkung?«, sagte er
verächtlich. »Von wem? Ich bin vogelfrei. Schon vergessen?«
    In diesem Moment klopfte es.
Radu, dachte Saïna. Kaum, dass sie den Gedanken gefasst hatte, flog ihre
Freundin auch schon durch die Tür, Hank und Poosah im Schlepptau. Alle drei
blieben atemlos stehen, als sie den fremden Mann erblickten.
    Die kleine Poosah war die Erste,
die ihre Fassung zurückgewann. »Tante Saïna, ist das dein Freund?«, fragte sie
mit der Unschuldsmiene eines Engels.
    Saïna erschien es, als ob auf
einmal alle Blicke auf ihr hafteten. Sie begann zu stammeln, doch Torn kam ihr
zur Hilfe. Er hockte sich vor dem Mädchen hin und ergriff ihre Hände. »Deine
Tante und ich haben uns gerade erst kennengelernt.«
    »Hm.« Das Kind grübelte eine
Weile. »Kommst du dann jetzt öfter zum Vögeln vorbei.«
    »Poosah!«, rief Radu entsetzt.
»Du sollst dieses Wort nicht mehr benutzen!«
    »Aber Mama hat auch immer Männer
zum Vögeln mitgebracht, die sie gerade kennengelernt hat«, protestierte die
Kleine trotzig.
    Radu verdrehte die Augen, schob
Hank und die sich sträubende Poosah in die Spielecke und befahl ihnen mit
mütterlichem Nachdruck, sich den Bauklötzchen und Puppen zu widmen. Nachdem sie
sich mit gestrengem Blick davon überzeugte, dass man ihrem Kommando Folge
leistete, ging sie mit ausgestreckter Hand auf Torn zu. Ihre Locken tanzten
anmutig im Takt ihrer Schritte. Saïna fühlte ein seltsames Grummeln im Bauch.
    »Entschuldigen Sie bitte die Kleine.
Ihre Mutter war nicht immer der beste Einfluss. Mein Name ist Radu, Radu van
Bries, und der kleine Mann ist mein Sohn Hank.«
    »Freut mich.« Torn ergriff
gutmütig blinzelnd die ihm dargebotene Hand. »Mein Name ist Torn Gaser.«
    »Er ist ein Polizist, der etwas
über Lynns Tod weiß«, setzte Saïna hinzu. »Ich hab ihn zufällig getroffen.«
    »Wie interessant«, bemerkte Radu
mit dem Augenaufschlag eines pubertierenden Groupies. »Und was haben Sie bisher
herausgefunden, Detective?«
    Torn druckste verlegen herum, auf
der Suche nach einer hinreichend vagen Antwort, während Saïna feststellte, dass
Radu ganz offen mit dem Kerl flirtete – und dass sie deswegen innerlich
geradezu schäumte. Doch ihr Bemühen, den Grund für ihren Groll herauszufinden,
wurde durch einen hellen Aufschrei unterbrochen.
    »Das Ding hab ich schon mal
gesehen!«
    Es war der kleine Hank, der
unbemerkt aus der Spielecke herausgekommen war und mit der Nase an der Tischplatte
klebte; auf der lag immer noch das gläserne Auge.
    »Wo hast du das gesehen, mein
Kleiner?«, fragte Saïna.
    »Da, wo Tante Lynn gearbeitet
hat. Ein Mann hat es einem anderen geschenkt.«
    Radus und Saïnas Blicke trafen
sich. Also der Stripclub, in dem Lynn zuletzt ihr Geld verdient hatte.
    »Kannst du dich noch an irgendwas
anderes erinnern? Hast du gehört, was die Männer gesprochen haben?«, hakte
Saïna nach.
    »Ein bisschen. Die Musik war so
laut, und Tante Lynn hat dazu getanzt, ganz nackt.«
    »So hat sie sich also um die
Kleinen gekümmert, wenn ich Hank bei ihr abgegeben habe«, empörte sich Radu und
stemmte die Hände in die Hüfte.
    »Scht«, machte Saïna. »Lass ihn
weiterreden.«
    »Der eine Mann hat dem anderen
das da auf die Hand gelegt und hat gesagt: Willkommen im
Odoluzies. Das wollte ich euch doch schon mal erzählen.«.
    »Du meinst wieder den Ordo
Lucis«, sagte Radu.
    Der Kleine strahlte über beide
Backen. »Ja, genau.«
    »Eine Art Parole«, war Radu
überzeugt. »Bestimmt haben die Kerle dort Kontakt zu Lynn aufgenommen.«
    Wenn Saïna auch bisher gehofft
hatte, es gäbe noch eine andere Erklärung für Lynns Verschwinden und ihren Tod,
ließ sich gegen Radus Logik nun schwerlich etwas einwenden.
    »Damit habt ihr wohl so eine Art
Spur«, ließ sich Torn wieder vernehmen.
    »Wie meinst du das?«, fragte
Saïna irritiert.
    »Nun, wenn ich du wäre, würde ich
in die Bar gehen und … na ja, ein bisschen Staub aufwirbeln, wie man so schön
sagt.«
    »Da zeigt sich der Profi«,
flötete Radu bewundernd.
    Saïna musste an sich halten,
ihrer Freundin nicht an die Gurgel zu gehen.
    »So, ich werde mich dann mal um
meine eigenen Angelegenheiten kümmern«, fuhr Torn fort. »Adieu, Ladys. Auf
Wiedersehen, Kinder.« Er wandte sich der Tür zu und machte Anstalten, die
Wohnung zu verlassen.
    »Halt!«, rief Saïna, einem
plötzlichen Impuls gehorchend. Sie sprang ihm nach, trat mit ihm in den Flur
vor der Wohnung und

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