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Asylon

Asylon

Titel: Asylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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Arzt,
die Arme vor der Brust verschränkt, und setzte ein schiefes Grinsen auf. Mit
einem Mal war sie sich sicher, dass er Grosse hergeholt hatte.
    Vorhin die
Schritte auf dem Flur, kurz, nachdem ich das Büro betreten hatte – das war er
gewesen. Er muss gleich zu Grosse gelaufen sein.
    »Nun, wie Sie sehen, steht der
Schichtleiter vor uns. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn ich ihn direkt
frage.« Dr. Grosse zog die Augenbrauen hoch, so als würde ihn ihre Meinung
tatsächlich interessieren. Als sie schwieg, lächelte er und wandte sich an den
Hausmeister. »Nun, mein lieber Mr. Deake …« Saïna sah, wie Deakes Brust bei
diesen Worten vor Stolz anschwoll. Ihr Mut sank auf einen neuen Tiefpunkt. »War
Ihnen bekannt, dass Ihre Hilfskraft in meinem Büro Arbeiten ausführte, und
haben Sie ihr die Anweisung erteilt, sich dazu einzuschließen.«
    Deake kratzte sich am Kopf. Sein
Blick traf den von Saïna, die sich verzweifelt darum bemühte, ihm eine geheime,
flehentliche Botschaft zu schicken, ohne zu wissen, wie sie das anstellen
sollte. Für einen Sekundenbruchteil schien sich sein Grinsen noch zu vertiefen.
Hatte er ihr zugezwinkert?
    Er wandte sich an Grosse. Sein
Rücken schien sich noch mehr als sonst zu krümmen. »Ich habe keine Ahnung, was
Miss Amri hier zu suchen hat. Von mir hat sie keine solche Anweisung erhalten«,
sagte er in vollendeter Unterwürfigkeit.
    »Du Mistkerl!«, entfuhr es ihr.
»Und ich habe damals bei dem Wasserschaden im Lager für dich den Arsch hingehalten!«
    Deake sah sie an, als ob er nicht
die geringste Ahnung hatte, wovon sie sprach, gleichzeitig aber massierte er
sich mit der rechten Hand die deutliche Ausbuchtung in seiner Hose, eine Geste,
die exklusiv für Saïna gedacht war.
    »Nun, ich stelle fest«, sagte Dr.
Grosse, »Sie haben sich nicht nur unbefugt in mein Büro geschlichen, Sie haben
auch über ihre Absichten gelogen. Es wird Sie daher nicht überraschen, wenn ich
Ihnen mitteile, dass ich unter diesen Umständen nicht mehr das nötige Vertrauen
bezüglich Ihrer Loyalität gegenüber dieser Institution habe. Sie sind gefeuert.
Räumen Sie Ihren Spind und verschwinden Sie von hier!«
    Die Worte hallten in Saïnas Ohren
nach wie Donner.
    Sie hatte mit einem Tadel oder
Eintrag in die Personalakte gerechnet, aber doch nicht mit … Auf einmal wurde
ihr bewusst, wie wahnsinnig ihr Plan von Anfang gewesen war; was sie aufs Spiel
gesetzt hatte.
    Poosah. Wie
soll ich uns jetzt …?
    Sie schluckte all ihren Stolz
herunter.
    »Bitte«, flehte sie, »ich brauche
diesen Job.«
    Die tief in den Höhlen liegenden
Augen des Chefarztes musterten sie eine Weile. Unter der hellen Deckenbeleuchtung
sah sein Gesicht noch mehr als sonst wie ein Totenschädel aus. Neben ihm war
Deake zu einer Statue hündischer Ergebenheit versteinert. Saïna spürte, wie ihr
das Wasser in die Augen stieg. Wovon sollte sie nächste Woche die Miete
bezahlen, geschweige denn Wasser und Nahrung für Poosah und sich? Den Verlust
von Lynns sporadischen Zuzahlungen hätte sie mit knapper Not ausgleichen
können, aber jetzt stand sie vor dem Aus. Zum ersten Mal in ihrem Leben sprach
sie still ein Stoßgebet.
    »Nun, ja …« Grosse hatte seine
Musterung abgeschlossen. Seine Stimme klirrte wie eh und je. »Das hätten Sie
sich vorher überlegen müssen. Deake wird sie zu ihren Sachen begleiten. Deake!«
    Der Schichtleiter schaute ihn
erwartungsvoll an.
    Es fehlt nicht
viel, dachte Saïna, und er fängt an zu sabbern.
    »Begleiten Sie sie zu ihren
Sachen. Wenn sie alle private Habe eingesammelt hat, bringen Sie sie zum Haupteingang.
Lassen Sie sich auf jeden Fall ihre Schlüssel geben. Und, Deake …« Grosse
fixierte den Schichtleiter, während er mit seinem knotigen Zeigefinger auf sie
wies. »Achten Sie darauf, dass Rotkäppchen nicht vom Weg abkommt.«
    »Selbstverständlich, Sir.« Er
salutierte sogar, als wären er und Grosse beim Militär. Dann wandte er sich
Saïna zu. »Komm, Schätzchen. Ab nach Hause.«
    Der anzügliche Unterton weckte
ihren Widerstandsgeist. Wütend schoss sie an den beiden vorbei und rannte
hinaus auf den Flur. Auf gar keinen Fall würde sie sich von dieser perversen
Kröte persönlich rausschmeißen lassen.
    »Hey, nicht so eilig,
Schätzchen!«, brüllte er hinter ihr.
    Doch sie hastete bereits die
Treppe zu ihrem Spind hinunter.

9
    Saïna schloss die Tür
hinter sich, ließ ihre Habseligkeiten fallen und plumpste auf ihr Sofa. Es war
dunkel in ihrer Wohnung, und von ihr

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