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Asylon

Asylon

Titel: Asylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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sich direkt in seinem Rücken. »Verstehe ich das richtig?«, flüsterte
Rygor. »Diese Frau hat alles über unser Geschäft herausgefunden, und Sie hatten
nichts Besseres zu tun, als sie nach Hause zu schicken?«
    »Was hätte ich denn anderes tun
sollen?«, fragte Grosse. Er roch nach kaltem Schweiß.
    Rygor spürte, wie die Furcht des
Arztes seine Wut befeuerte. »Was sie hätten tun sollen?«, fragte er. »Ich werde
Ihnen zeigen, was Sie hätten tun sollen.«
    Seine Hand fuhr langsam unter
sein Jackett und legte sich um den Griff der Pistole, die dort steckte.

    Die
hübsche junge Frau mit den bernsteinfarbenen Augen zieht mir vorsichtig die
Spritze aus dem Arm. Sie lächelt mich an. Sie hat kleine Grübchen in den
Wangen. Ob sie verheiratet ist?
    »Wer sind
Sie?«, fragt sie mich. »Sagen Sie mir Ihren Namen.«
    Ich sehe mich
um. Der Raum ist klein. Ein winziger, fensterloser Kubus. Völlig weiß. Eine
seltsame Kraft zerrt an uns allen, als würde sich das Ding bewegen. Ich selbst
kann mich nicht rühren. Irgendetwas schließt mich rundherum ein. Aber was? Ich
kann auch den Kopf nicht drehen. An der Wand gegenüber stecken zwei Kerle
jeweils in einer Art großem Kokon, der den ganzen Körper umgibt. Ich glaube,
ich kenne die beiden. Und so, wie es sich anfühlt, stecke auch ich in so einem
Ding.
    »Können Sie
mir sagen, wie alt Sie sind?«
    Immer noch die
hübsche Frau, die mir die Spritze aus dem Arm gezogen hat. Was will sie nur von
mir? Wer ich bin?
    Ist doch klar.
    Ich bin …
    Ich …
    O mein Gott …
    Torn erwachte schreiend aus
seinem Traum, der ihn wieder in jenes kleine weiße Zimmer entführt hatte.
Wieder hatte er in einem weißen Kokon gesteckt. Wieder hatte ihm eine hübsche junge
Frau im weißen Arztkittel Fragen zu seiner Identität gestellt, die er nicht
hatte beantworten können. Doch diesmal hatte die Frau das Gesicht von Saïna
gehabt. War das schon immer so gewesen? Seltsamerweise konnte er sich nicht
erinnern.
    Das Erste, was er nach dem
Aufwachen bemerkte, war die Helligkeit. Es vergingen ein paar Sekunden, bis das
Licht nicht mehr blendete. Dann erlebte er ein Déjà vu.
    Ein völlig weißer Raum. Etwas
größer allerdings als in seinem Traum. Gerade, hohe Wände. Türen in der Mitte aller
vier Seiten. Lampen waren nicht zu sehen; das Licht schien irgendwie aus der
Decke zu kommen, möglicherweise Strahler hinter halbtransparentem Material. Es
sah aus wie Sonnenlicht an einem leicht bewölkten Tag. Normalerweise musste man
an die Oberfläche, um so ein Licht zu sehen.
    Aber das Seltsamste waren die
Bilder an den Wänden des Raumes. Wie Dutzende von Fenstern zu anderen Welten.
Kleine, große, bunte, schwarz-weiße, Fotos, Gemälde alter Meister, moderne
Siebdrucke.
    Er wollte sich die Augen reiben,
doch etwas zerrte an seinen Handgelenken, und er merkte, dass man sie an die
Armlehnen des Stuhls gefesselt hatte, auf dem er saß. Erinnerungen an einen
Kampf in den Gassen zogen vor seinem inneren Auge vorbei.
    Der Gote … Der
Void … Ich bin abgestürzt. Er muss mich irgendwie aufgefangen haben, nachdem
ich das Bewusstsein verlor und in den Void gefallen bin.
    Eine Bewegung am Rand seines
Sichtfelds brachte ihn dazu, den Kopf zu drehen. Der Anblick, der sich ihm bot,
war mehr als erstaunlich. Ungefähr in der Mitte der Wand zu seiner Rechten hing
ein riesiges Barockgemälde, etwa eine halbe Mannslänge hoch. Eine üppig
bewaldete Hügellandschaft, über der sich ein Himmel mit ein paar schweren
Regenwolken spannte. Links oben waren auf einer Hügelkuppe die Umrisse einer
mächtigen Burg zu erahnen. Das Seltsame war, dass das Bild nicht bei dem
schweren Rahmen endete, der es einfasste. Nein, Hügellandschaft und Himmel
waren über dessen Grenzen hinausgewuchert und erstreckten sich über weite Teile
der Wand, bis sie bei anderen Bildern endeten.
    Torn sah auch den Mann. Er stand
mit dem Rücken zu ihm. Klein, gedrungen, mit Glatze und einem mächtigen
Stiernacken. Auch ohne sein Gesicht zu sehen, wusste Torn, dass er Sputano vor
sich hatte, den obersten aller Clanchefs. Sputano schien ganz in den Anblick
des Gemäldes versunken. Doch dann bewegte er sich, und Torn erkannte, dass er
einen Pinsel und eine Farbpalette hielt.
    Mit Bewegungen, deren Feinheit in
seltsamem Kontrast zu seiner körperlichen Grobschlächtigkeit stand, befasste er
sich mit der Ausdifferenzierung eines Wolkenschattens. Eine Weile lang widmete
er sich ganz dieser Tätigkeit. Dann drehte er sich um.
    Der Blick seiner

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