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Asylon

Asylon

Titel: Asylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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volle
Ausmaß dessen spüren, was sie angerichtet hatte. Seine Rumpfmuskulatur bestand
nur noch aus Schmerz. Wehmütig musste er daran denken, mit welch katzenhafter
Leichtigkeit er sich noch vor einer Stunde in der Bar bewegt hatte. Doch dann
hatte er den Schlag auf den Kopf erhalten, als er gerade … Als er gerade irgendetwas
hatte tun wollen. Irgendetwas, an das er sich nicht mehr erinnern konnte. Dann
war er wieder als Normalsterblicher erwacht.
    »Hier, ziehen Sie sich das über
den Kopf!« Sie hielt ihm eine Art Strumpfbandage vors Gesicht.
    »Niemals. Ich mach mich doch
nicht zum Idioten.«
    »Sie haben den Kopf voller
Schnittwunden«, brauste sie empört auf, sodass sein Schädelbrummen gleich ein
paar Dezibel zulegte. »Also vergessen Sie mal Ihre Eitelkeit und ziehen Sie das
Ding über!«
    Mit einem Satz war Rygor auf den
Füßen und Nase an Nase mit der schreckensstarren Schwester. »Was erlaubst du
dir, du alte Hexe? Weißt du überhaupt, wer ich bin? Ich bin Supreme-Leveller
Rygor, und dein Vorgesetzter, Dr. Grosse, dieses paranoide Drogenwrack, frisst
mir aus der Hand. Also wenn dir dein Job lieb ist, nerv mich nicht. HAST DU
VERSTANDEN? «
    Befriedigt registrierte er, dass
die Haube auf ihrem grauen Schopf zitterte. Das war besser als jede Antwort. Er
setzte sich wieder auf den Stuhl.
    »Du hast das Jod vergessen.«
    Sie löste sich aus ihrer
Erstarrung und begann schweigend seine Wunden zu betupfen. Das Jod zwickte.
Wenn er etwas an diesem Ort wirklich hasste, dann diese Dritte-Welt-Medizin. Er
atmete tief durch und beherrschte sich.
    Zehn Minuten später hatte er die
lästige Prozedur hinter sich. Auf seinen Wunsch hin hatte ihn die Schwester zu
Grosses Büro gebracht. Der Chefarzt war nicht anwesend, also hatte er ihr
befohlen, ihm den Raum aufzuschließen. Es war an der Zeit, sich über den Stand
ihrer gemeinsamen Geschäfte zu informieren.
    Nachdem die Schwester gegangen
war, glitt sein Blick über das Chaos an Aktenstapeln, die sich in den Wandregalen
türmten.
    Ein Wunder,
dass dir der Laden noch nicht um die Ohren geflogen ist, Koksnase!
    Dann warf er den Rechner an und
suchte nach »Persephone«. Schnell hatte er die Datei gefunden.
    Seine Finger begannen, das Passwort
zu tippen, da hielt er inne. Irgendwie schienen in letzter Zeit viele Leute
Dinge zu wissen, die sie eigentlich nicht wissen sollten. Ein bisschen
Kontrolle konnte nicht schaden. Er rief die Protokolldatei auf, in der alle
Zugriffe auf »Persephone« während der letzten vierzehn Tage gespeichert waren,
und sah sich den letzten Eintrag an.
    Die Wut ließ sein Gesicht
prickeln.
    »Was suchen Sie da?«
    Rygor fuhr herum und starrte in
Grosses ausgemergelte Züge. Der hatte ihm gerade gefehlt. Rygors Miene verzog
sich zu einem Grinsen. »Sie kommen genau zum rechten Zeitpunkt, alter Freund.
Ich schätze, Sie schulden mir eine Erklärung.«
    »Eine Erklärung?« Grosses
Adamsapfel hüpfte auf und ab wie ein Tennisball. »Wie meinen Sie das?«
    »Nun, ich habe mir gerade die Zugriffsprotokolle
für unsere kleine Persephone angeschaut, nur so aus einer Laune heraus, und was
ich fand, macht mich überhaupt nicht glücklich. Sehen Sie’s sich an!«
    Grosse beugte sich zum Bildschirm
hinab und strengte seine Augen an. Dann fuhr er wie von der Tarantel gestochen
zurück und fuchtelte wild mit den Händen durch die Luft. »D-das kann nicht von
mir sein«, stammelte er fassungslos.
    »Tja, dann scheint es, als hätten
wir einen ungebetenen Mitwisser. Können Sie damit was anfangen?«
    »Mein Gott«, entfuhr es Grosse.
»Dieses vermaledeite Biest!«
    »Von wem reden Sie?«
    »Die Hausmeisterin. Ich habe sie
in meinem Büro erwischt.«
    »Sieh an.« Rygor erhob sich vom
Stuhl und baute sich vor dem Doktor auf. »Und hat diese … äh … Hausmeisterin
auch einen Namen.«
    »Warten Sie.« Grosse drängelte
sich an ihm vorbei. »Ich hab’s mir hier irgendwo aufgeschrieben.« Er durchwühlte
einen Zettelberg neben dem Rechner. »Hier!« Triumphierend hielt er einen
kleinen Notizzettel hoch. »Hier hab ich’s. Name und Adresse. Sie heißt Saïna Amri.«
    »Geben Sie her.« Unwirsch riss
Rygor ihm den Zettel aus der Hand.
    »Ich hab Sie natürlich sofort
gefeuert.«
    Rygor spürte, wie brodelnder
Groll Säure in seine Speiseröhre trieb, was in letzter Zeit beunruhigend häufig
passierte. Er rückte so dicht an Grosse heran, dass sich ihre Nasen fast
berührten. Der Doktor versuchte, ein Stück zurückzuweichen, aber das Aktenregal
befand

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