Aszendent Blödmann
daran verschwendet, was mich bei der geplanten Observierung erwarten würde. Aber dank Charlottes Bemerkung wurde die Mission Greta auf einmal erschreckend konkret. Ich war nun wirklich nicht prüde, aber die Vorstellung, dass wir Andreas tatsächlich in flagranti erwischen könnten, trieb mir die Schamröte ins Gesicht. Ich hoffte, ihn nur von hinten zu sehen! Aber das war beileibe nicht meine einzige Sorge: Was, wenn diese Greta im fünften Stock eines Hochhauses wohnte? Im Geiste sah ich mich bei dem Versuch, kompromittierende Beweisfotos zu schießen, schon in luftiger Höhe auf irgendwelchen wackeligen Balkonbrüstungen herumturnen. Denn natürlich würde ich nicht zulassen, dass Charlotte sich in Gefahr begab. Das war ich meinem Patenkind schuldig. Im Gegensatz zu mir wurde Charlotte noch gebraucht, wenn ich bei dieser waghalsigen Aktion draufgehen sollte, würde ich keine allzu große Lücke hinterlassen.
Ob ich vor der Observierung besser noch meinen Keller entrümpeln soll?, schoss es mir spontan durch den Kopf. Nicht dass meine Eltern sich womöglich nach meinem Ableben zusätzlich zu dem ganzen Papierkram, den der Tod gemeinhin so mit sich brachte, mit abgelaufenen Konservendosen oder vergilbten Liebesromanheftchen herumschlagen mussten. Einen kurzen Moment kam ich mir sehr heroisch vor. Bis mir einfiel, dass es ebenso gut möglich war, dass Greta im Erdgeschoss wohnte. Die Kellerentrümpelung konnte ich also getrost noch ein wenig aufschieben.
»Wahrscheinlich ist Greta was dazwischengekommen. Wie das bei erfolgreichen Geschäftsfrauen halt so ist«, schimpfte Charlotte, deren Wangen vor Aufregung glühten. »Immer busy, immer im Stress. Vermutlich muss sie in New York noch ein paar Verträge aushandeln oder in Tokio einen Millionendeal einfädeln, bevor sie Zeit hat, meinen Mann zu vernaschen.«
»Woher weißt du, dass Greta Geschäftsfrau ist?«
»Ich weiß es nicht, ich vermute es nur. Welche Frau, die nicht gerade Mutter geworden ist und über einen gesunden Geschlechtstrieb verfügt, würde ihren Lover sonst über eine Woche hinhalten. Schließlich werden die beiden ja wohl kaum miteinander Schach oder Backgammon spielen.«
»Vielleicht eine Taktik, um sich interessant zu machen.« Ich bückte mich und hob Bens Bär auf. Offenbar war dem kleinen Mann langweilig, oder er fühlte sich nicht genug beachtet, denn kaum hielt er sein Schmusetier wieder in den Händen, beförderte er es erneut hochkant aus dem Kinderwagen hinaus. »Vielleicht ist Greta aber auch bloß krank geworden«, riet ich ins Blaue hinein.
»Du hast recht! Auf die Idee bin ich noch gar nicht gekommen«, quietschte Charlotte entsetzt auf. »Nicht dass Andreas womöglich noch irgendwelche ansteckenden Krankheiten bei uns einschleppt. Geschlechtskrankheiten wären ja nicht so schlimm – soll ihm ruhig der Schwanz abfallen, das wäre die gerechte Strafe für seine Rumbumserei.«
Ich zuckte zusammen, denn so ein Vokabular war ich nicht von Charlotte gewöhnt. Gut, dass Ben noch nicht sprechen konnte! Allerdings wusste man nicht, was er in seinem kleinen Köpfchen alles abspeicherte, um es in ein paar Monaten, beispielsweise beim Kaffeetrinken mit den lieben Großeltern, wieder hervorzuholen.
»Und anstecken kann ich mich ja wohl schlecht.« Geschickt fing Charlotte Bens Bär auf, der sich gerade wieder im Landeanflug befand. »O. K., Andreas und ich benutzen zum Fußnägelschneiden die gleiche Schere – aber das ist auch wirklich mit Abstand das Intimste, was sich zwischen uns zurzeit abspielt. Du siehst: Das Ansteckungsrisiko für Geschlechtskrankheiten tendiert gegen null. Soll dieser Mistkerl sich bei seiner Greta ruhig ein paar Filzläuse oder Feigwarzen einfangen! Alles, bloß keinen Magen-Darm-Virus!«
Ich konnte gut verstehen, dass Charlotte keine Lust hatte, sich die Seele aus dem Leib zu kotzen. Wer wollte das schon? Aber Andreas deshalb gleich Filzläuse oder anderes Ungeziefer an den Hals, beziehungsweise an sein bestes Stück zu wünschen … fand ich, wenn ich’s mir ganz genau überlegte, durchaus angemessen. Zumindest in einem Punkt konnte ich Charlotte beruhigen. Ich versicherte ihr, dass Greta, selbst wenn sie an einem Magen-Darm-Virus erkrankt sein sollte, in einer Woche ganz sicher nicht mehr ansteckend war. Und natürlich versprach ich meiner Freundin auch, ihr bei dem »Nachholtermin« als verdeckter Ermittler zur Verfügung zu stehen.
Kapitel 18
I st doch schön, zur Abwechslung mal hier rauszukommen.«
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