Aszendent Blödmann
Überhaupt wirkte die Frau für meinen Geschmack eine Spur zu naturbelassen. Ich hoffte, dass daheim an ihrem Badezimmerspiegel nicht ein Aufkleber mit dem Statement SEIFE? NEIN DANKE zu finden war. Im Gegensatz zu mir ließ sich Charlotte von solchen Äußerlichkeiten nicht abschrecken.
»Eine Packung Dinkelstangen hätte ich gerne«, verlangte meine Freundin unbeirrt.
»Mit Honig gesüßt oder ohne?«
»Ohne.«
Tzz, tzz, tzz, Rabenmutter. Charlotte gönnte ihrem Sohn aber auch wirklich gar nichts. Während sie sich mit Chips und Toffifee den Bauch vollschlug, durfte der arme Kerl noch nicht einmal ein bisschen Honig naschen.
Als die Verkäuferin das gewünschte Produkt auf die Ladentheke legte, musste ich allerdings zugeben, dass ein paar lächerliche Tropfen Honig hier auch nichts rausreißen konnten! Besagte Dinkelstangen staubten bereits, wenn man vorsichtig den Blick darübergleiten ließ. Ich an Bens Stelle wäre bei einer solchen Verpflegung sofort in Hungerstreik getreten. Selbst Freds Hamsterfutter sah verlockender aus. Wenn Ben ein paar Monate älter war, würde ich ihn – auch auf die Gefahr hin, mir damit Charlottes Unmut zuzuziehen – in die Geheimnisse von Nutella und Kinderschokolade einführen. Das war ja wohl das Mindeste, was ich für mein Patenkind tun konnte!
»Übrigens, ehe ich’s vergesse: Du kannst dir Dienstagabend nach der Arbeit etwas anderes vornehmen. Meditier ein bisschen, lackier dir die Fußnägel, geh mit Conrad lecker essen, oder mach dir einfach einen gemütlichen Abend vor der Glotze«, sagte Charlotte, nachdem wir das Geschäft verlassen hatten. »Die Sache mit der Beschattung hat sich erledigt. Andreas wird Dienstagabend zu Hause sein.«
Ja, wie? Und das erzählte sie mir erst jetzt, so ganz nebenbei?! Das war doch endlich mal eine gute Nachricht! Statt zu einer imaginären Geliebten eilte Andreas heim zu Weib und Kind, wie sich das gehörte. Nicht dass mich das überrascht hätte. Überraschend fand ich lediglich, mit wie wenig Begeisterung Charlotte auf diese Neuigkeit reagierte. Ich hingegen war vor Freude über Andreas’ Tugendhaftigkeit völlig aus dem Häuschen.
»Wie schön! Siehst du, ich habe dir ja gleich gesagt, dass du dir völlig umsonst Sorgen machst. Andreas ist kein Streuner und Hallodri, sondern treu wie Gold.«
Bevor ich ihren Göttergatten, zumindest verbal, in den Olymp der Ehemänner hieven konnte, unterbrach mich Charlotte unwirsch: »Bitte keine voreiligen Schlüsse. Nur weil Andreas sich kommenden Dienstag nicht mit dieser Greta trifft, heißt das noch lange nicht, dass die beiden kein Verhältnis miteinander haben.«
»Heißt es nicht?« Die Frau sprach in Rätseln.
»Nein. Das Date ist um gut eine Woche verschoben worden.«
»Hat er dir das gesagt?«, fragte ich verwirrt.
Wie’s aussah, stand bei mir gerade eine ganze Kompanie auf der Leitung. Irgendwie konnte ich mir nur schwer vorstellen, dass Andreas seine Ehefrau freiwillig darüber informiert hatte, dass sich der Beischlaf mit seiner Geliebten aus Termingründen um eine Woche verzögern würde. Und wenn er es nicht freiwillig getan hatte, dann musste Charlotte wohl ein wenig nachgeholfen haben. Ob sie Andreas ans Bett gekettet und mit Heißwachsstreifen gefoltert hatte?
»Blödsinn, natürlich weiß ich es nicht von Andreas.«
Puh, Entwarnung. Kein neuer Fall für Amnesty International, keine Folter. Aber wie war Charlotte sonst in den Besitz dieser Insiderinformation gekommen?
»Auch wenn Andreas nicht in der Lage ist, die Buntwäsche von der Kochwäsche zu trennen – vielleicht hält er das ja auch bloß für einen Spleen, mit dem sich gelangweilte Hausfrauen wie ich die Zeit vertreiben –, und sein Schreibtisch meistens aussieht, als hätte dort gerade eine Bombe eingeschlagen, ist er bei seiner Terminplanung ausgesprochen ordentlich. Sein Kalender ist nämlich seine zweite Gehirnhälfte. Er hat das geplatzte Date mit seiner Geliebten durchgestrichen und den neuen Termin fein säuberlich für den Donnerstag der darauffolgenden Woche in sein Filofax eingetragen.«
»Immerhin weißt du, dass er sich diesen Dienstag nicht mit ihr trifft«, versuchte ich der ganzen Sache etwas Positives abzugewinnen.
»Na toll, soll ich mich vielleicht auch noch bei dem Mistkerl dafür bedanken, dass ich noch ’ne Woche in der Ungewissheit leben muss, ob die beiden es nur im Bett oder auch auf dem Küchentisch miteinander treiben?!«
Ach, du dickes Ei! Bisher hatte ich kaum einen Gedanken
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