Aszendent Blödmann
Andererseits war es vermutlich nicht besonders klug, ausgerechnet jetzt das Feld zu räumen. Dann hätte ich gleich zu Hause bleiben können! Ich gab mir innerlich einen Ruck. »Also eigentlich habe ich gegen einen kleinen Absacker auch nichts einzuwenden.«
Die Bar, die sehr geschmackvoll in Beige- und Brauntönen eingerichtet war, schien zum längeren Verweilen einzuladen. Die indirekte Beleuchtung war gedimmt worden, Kerzen tauchten den Raum in ein gemütliches, schummriges Licht. Zwei Pärchen wiegten sich selbstvergessen auf der Tanzfläche zu den einschmeichelnden Klängen eines Klavierspielers. Genau das richtige Ambiente, um sich näherzukommen. Zähneknirschend folgte ich Ilka und Kai an die Theke. Was für ein feines Gespann! Kai, der es offenbar genoss, den Hahn im Korb zu spielen, sicherte sich wie selbstverständlich den Barhocker in der Mitte. Eine Dame rechts, eine Dame links – das war ganz nach seinem Geschmack.
»Drei Gläser Champagner«, bestellte Ilka beim Barkeeper, ohne sich vorher nach unseren Wünschen zu erkundigen.
Ein Glas Cola oder eine Tasse Kaffee gegen die Müdigkeit wären mir lieber gewesen. Davon mal abgesehen fand ich es ziemlich dekadent, ohne einen triftigen Anlass wie etwa einen Sechser im Lotto oder den Gewinn eines Nobelpreises Champagner zu schlürfen. Aber um Ilkas Geldbeutel brauchte ich mir weiß Gott keine Sorgen zu machen. Und was den Champagner betraf: Den würde sie bestimmt ihrem Vater mit der Reisekostenabrechnung unterjubeln.
Überhaupt schien Conrad seine Tochter nicht besonders gut zu kennen. Bei ihren Bemühungen, sich Kai zu angeln, brauchte Ilka meine Unterstützung ungefähr genauso dringend wie ein Delfin Schwimmflügelchen, um sich über Wasser zu halten. Vielleicht hatte sie in den USA einen Flirtcrashkurs belegt, oder sie war ein Naturtalent, auf jeden Fall konnte ich von ihr noch einiges lernen. Während sie sich mit Kai unterhielt, sah sie ihm so tief in die Augen, als wollte sie seine Iris scannen. Aber die hypnotisierenden Blicke waren noch harmlos im Vergleich zu dem, was sie mit ihrer Zunge veranstaltete. Innerhalb der letzten fünf Minuten hatte sie sich so oft die Lippen befeuchtet, dass ich drauf und dran war, ihr meinen Labello anzubieten. Ständig suchte sie Körperkontakt und ging auf Tuchfühlung. Während sie Kai etwas erzählte, legte sie immer wieder die Hand auf seinen Arm oder berührte wie zufällig seinen Oberschenkel.
Mir sträubten sich die Nackenhaare. Waren Männer tatsächlich dämlich genug, auf so billige Tricks hereinzufallen? Kai offenbar schon. Er hing geradezu an Ilkas gut befeuchteten Lippen. Und das lag sicher nur zum Teil an dem Gesprächsthema, das Ilka mit viel weiblicher Raffinesse ausgewählt hatte. Gemeinsam mit Kai schwelgte sie in den Erinnerungen an ihre glorreiche Zeit in Amerika. Ein Thema, zu dem ich außer meiner Schwäche für Hamburger und einem Spezialrezept für Blaubeermuffins nicht besonders viel beizusteuern hatte.
Als Ilka mit einem gurrenden Lachen den Kopf in den Nacken warf und erneut an Kai herumfingerte, riss mir der Geduldsfaden. Jetzt reichte es aber! Höchste Zeit, dass ich endlich dazwischenging.
»Puh, hier zieht’s aber wie Hechtsuppe«, nutzte ich die Stille, als beide zufällig zur gleichen Zeit an ihren Champagnergläsern nippten.
»Finden Sie?« Immerhin war Kai im Gegensatz zu Ilka so höflich, meine Bemerkung nicht einfach zu ignorieren. Auf der Suche nach der Ursache für den Durchzug sah er sich in der Bar um. Dann zuckte er die Schultern. »Also, ich merke nichts.«
»Dann zieht es möglicherweise nur hier.« Demonstrativ rieb ich mir den Nacken. »Würde es Ihnen was ausmachen, mit mir den Platz zu tauschen? Ich bekomme so schnell einen steifen Hals.« Wenn das der Wahrheit entsprochen hätte, könnte ich mich nach der morgendlichen Fahrt im Cabrio vermutlich längst nicht mehr rühren.
Aber Kai dachte mal wieder nicht von zwölf bis mittags. »Kein Problem.« Er stand auf und überließ mir seinen Barhocker.
Ich tat, als würde ich Ilkas giftigen Blick nicht bemerken. Nun saß ich zwischen den beiden. Was es Ilka und Kai schwer machen würde, meine Anwesenheit zu ignorieren. Schwer, aber nicht unmöglich. Einen Moment später waren sie bereits wieder zu ihrem gemeinsamen Lieblingsthema zurückgekehrt und unterhielten sich über meinen Kopf hinweg, als wäre ich überhaupt nicht vorhanden. Ich fühlte mich wie das fünfte Rad am Wagen. Und wie ein kompletter
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