Aszendent Blödmann
So viel zum Thema Tarnung.
»Tja, man trifft sich immer zweimal im Leben«, murmelte ich und setzte die Brille ab. Im Nachhinein war es mir todpeinlich, dass ich einem Wildfremden mein Herz ausgeschüttet hatte.
Der Polizist nahm es mir jedoch anscheinend nicht übel, dass ich ihn als Klagemauer missbraucht hatte. Er lächelte mich freundlich an und sagte: »Ich hoffe, Sie haben Ihr Auto mittlerweile reparieren lassen.«
»Ist wieder wie neu«, versicherte ich und reichte ihm unaufgefordert meinen Führerschein und die Fahrzeugpapiere, die in der Mittelkonsole gelegen hatten. Als Wiederholungstäter kannte ich das Prozedere besser, als mir lieb war.
»Und das Problem mit Ihrem Kollegen?«, fragte der Polizist mitfühlend.
»Das ist bedauerlicherweise nicht so leicht zu lösen. Wenn Sie ihn kennen würden …«
»Jetzt gib dem Mann schon deine Telefonnummer, Mel«, unterbrach mich Charlotte ungeduldig. »Dann könnt ihr ein andermal ganz in Ruhe ein bisschen plaudern.« Und an den Polizisten gewandt, setzte sie noch hinzu: »Tut mir wahnsinnig leid, aber wir haben es ziemlich eilig.«
»Was Sie nicht sagen«, parierte der Polizist trocken. »Ob Sie’s glauben oder nicht: Dass Sie es eilig haben, ist mir bereits aufgefallen. Sie sind nämlich zwanzig Stundenkilometer zu schnell gefahren. Und das innerhalb einer geschlossenen Ortschaft.«
»Können Sie nicht ausnahmsweise mal ein Auge zudrücken?«, flehte Charlotte ihn an. »Wissen Sie, mein Mann geht nämlich fremd, und nun will ich – also wollen wir«, sie deutete abwechselnd auf mich und sich selbst, »ihn auf frischer Tat ertappen.«
»Erst einmal habe ich Sie auf frischer Tat ertappt.« Der Polizist begann gemächlich, meine Personalien aufzunehmen.
Charlotte, der das alles viel zu lange dauerte, hüpfte auf dem Beifahrersitz wie ein Flummi auf und ab. »Geht das nicht ein kleines bisschen schneller? Oder ist das hier ein Schönschreibwettbewerb?«
Ich warf meiner Freundin einen warnenden Seitenblick zu. Wenn sie so weitermachte, hatten wir gleich auch noch eine Anzeige wegen Beamtenbeleidigung am Hals. Aber Charlotte war einfach nicht zu bremsen. »Na typisch«, schimpfte sie aufgebracht, »wenn’s darum geht, sich gegen uns Frauen zu verbünden, halten die Kerle zusammen. Eine Krähe hackt der anderen eben kein Auge aus.«
Zum Glück schenkte der Polizist Charlottes Gezeter überhaupt keine Beachtung. Nachdem alle Formalitäten erledigt waren, gab er mir meinen Führerschein zurück. »Gute Fahrt!«
»Danke.« Ein »Auf Wiedersehen« sparte ich mir, denn obwohl der Ordnungshüter ganz bestimmt ein netter Kerl war und noch nicht einmal übel aussah, war ich nicht allzu erpicht darauf, ihm noch einmal zu begegnen. Die Treffen mit ihm waren mir auf die Dauer einfach zu kostspielig.
»So ein Mist!«, schimpfte Charlotte, als ich mich wieder in den Verkehr einfädelte. »Jetzt haben wir Andreas verloren. Er hat uns abgehängt.« Sie riss sich die Perücke vom Kopf und pfefferte sie wütend auf den Rücksitz. »Scheiße, Scheiße, Scheiße. Eine solche Gelegenheit, ihn in flagranti zu erwischen, wird so schnell bestimmt nicht wiederkommen.«
»Ist wahrscheinlich auch besser so«, versuchte ich, meine aufgebrachte Freundin zu beschwichtigen. »Ich hab dir ja von Anfang an gesagt, dass du lieber mit Andreas über die Sache reden solltest.«
Charlotte funkelte mich wütend an. »Wozu? Damit der Mistkerl wieder alles leugnet? Nein, danke.«
»Vielleicht ist er ja tatsächlich unschuldig.«
»Ja klar. Und wahrscheinlich ist Greta eine Nonne«, fauchte Charlotte.
Ich konnte es ihr nicht verdenken, dass sie, vorsichtig ausgedrückt, gewisse Zweifel an Andreas’ Treue hegte. Andererseits hieß es nicht umsonst: Im Zweifel für den Angeklagten. »Für die Quittung gibt es bestimmt eine ganz einfache Erklärung«, überlegte ich laut. »Vielleicht hat Andreas die Dessous gemeinsam mit einem Kollegen in der Mittagspause für dessen Frau ausgesucht, und der Kollege hatte seine Brieftasche oder seine Kreditkarte vergessen. Und was die Verabredung heute Abend betrifft, glaube ich, dass …«
Mitten im Satz brach ich ab. Was? Was glaubte ich? Dass Andreas ein treuloser Ehemann mit Stil war? Wenigstens wusste er, was sich gehörte, und brachte seiner Geliebten ein paar Blümchen mit. Er hatte seinen Vorsprung genutzt, um einen riesigen Strauß roter Rosen zu erstehen. An der nächsten Ecke verließ er gerade das Blumengeschäft und hastete zu seinem Auto, das
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