Aszendent Blödmann
Friseursalon befand, so hatte man ihn bereits zum Waschen, Schneiden, Legen in den hinteren Teil des verwinkelten Ladenlokals geführt, der vom Empfang aus nicht einzusehen war.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte die wasserstoffblond gefärbte Mitarbeiterin hinter der Empfangstheke und musterte mich dabei von oben herab.
Sie konnte nicht anders, denn sie überragte mich um mindestens zwei Köpfe. War das womöglich Greta? Nein, diese junge Dame hieß Marion. Das Namensschildchen stach mir im wahrsten Sinne des Wortes fast ins Auge. Genau wie Marions Brüste, die unter ihrem knappen schwarzen Top hervorquollen. Vielleicht war Marion in Wirklichkeit ja gar keine Friseurin, und der Laden diente nur als Tarnung.
Ach was, Blödsinn, Charlotte hatte mich mit diesem Observierungszirkus schon ganz verrückt gemacht. Hastig nahm ich die Sonnenbrille ab. »Ich hätte gerne einen Termin bei Greta«, versuchte ich es aufs Geratewohl.
Marion stützte sich mit den Ellenbogen auf dem Empfangspult ab und blätterte in dem großen Terminplan, der vor ihr lag. Ich atmete auf. Zum einen, weil ich mir nun den Hals nicht mehr verrenken musste, zum anderen, weil Marions Antwort sehr vielversprechend klang. Statt: »Greta? Hier arbeitet keine Greta«, oder: »Warum gehen Sie nicht zu Gabi oder Marietta? Die schneiden auch ganz toll«, fragte sie nur: »Was soll denn gemacht werden?«, während sie mit ihren roten Krallen eine Spalte im Kalender hinunterfuhr.
»Was halt nötig ist«, sagte ich vage.
»Aaaah ja.« Die Friseurin – oder sagte man heutzutage Hairstylistin dazu? – witterte das Geschäft ihres Lebens. Kein Wunder, denn die Perücke auf meinem Kopf hatte frappierende Ähnlichkeit mit einem verfilzten Flokati oder einem schlecht gepflegten Bobtail.
»Wenn Sie möchten, können Sie gleich dableiben. Im Augenblick hat Greta noch Kundschaft, aber so ein Herrenschnitt ist fix erledigt. Danach hat sie jede Menge Zeit für Sie.«
»Nein danke, so eilig ist es nicht.«
»Na, wenn Sie meinen.« Der Tonfall, in dem sie das sagte, ließ keinen Zweifel, dass Marion diesbezüglich eine ganz andere Ansicht vertrat.
Ich verließ den Friseursalon mit einem Pröbchen Shampoo – vermutlich ein Wink mit dem Zaunpfahl –, einem Termin für die nächste Woche und dem guten Gefühl, dass mein Glaube an die Liebe gerettet war. Vor Freude hätte ich am liebsten Luftsprünge gemacht. Ich fühlte mich so glücklich und beschwingt, als wäre Andreas mein eigener Mann, dessen Unschuld soeben bewiesen worden war. Ich konnte es kaum erwarten, Charlotte die frohe Nachricht zu überbringen.
»Und? Was hast du herausgefunden? Hast du ihn gesehen? War er bei ihr? Nun sag schon«, überfiel mich meine Freundin, kaum dass ich die Autotür geöffnet hatte.
Aufseufzend ließ ich mich auf den Fahrersitz fallen. »Greta ist eine Professionelle.« Charlotte wurde blass. Schnell klärte ich die Sache auf: »Eine professionelle Hairstylistin, du Dummerchen! Während du ihn im Bett einer anderen Frau vermutet hast, ist er in Wirklichkeit zum Friseur gegangen, um sich die Haare schneiden zu lassen.«
»Was bin ich doch für ein Rindvieh! O Gott, ich schäme mich so.« Doch plötzlich stutzte sie. »Andererseits erklärt der Friseurbesuch die Eintragung in seinem Terminkalender, aber noch nicht die roten Rosen und die Rechnung für die Dessous. Vielleicht will er sich für das Rendezvous mit seiner Geliebten schick machen lassen. In den zehn Jahren, die wir miteinander verheiratet sind, hat er mir noch kein einziges Mal …« Mitten im Satz brach sie ab und schlug sich vor die Stirn. »Oh nein, oh nein, ich glaub es nicht.« Charlotte begann mit den Fäusten gegen die Autotür zu trommeln.
»Charly, was ist los?« Langsam kriegte ich es mit der Angst zu tun. Nicht dass Charlotte womöglich durchdrehte oder einen Nervenzusammenbruch bekam. »Was glaubst du nicht?«
»Ich habe unseren Hochzeitstag vergessen!«
Endlich hörte Charlotte auf, das arme Auto ihrer Nachbarin zu malträtieren. Unsere Blicke trafen sich, und plötzlich begannen wir wie auf Kommando loszuprusten. Wir lachten, bis uns die Tränen übers Gesicht liefen. Auf der ganzen Rückfahrt konnten wir uns kaum wieder beruhigen. Hatte sich eine von uns gerade wieder so halbwegs im Griff, machte die andere einen dummen Spruch oder eine Andeutung, und schon war es erneut um uns geschehen.
»Wenn wir jetzt noch einmal in eine Verkehrskontrolle kämen, müsstet du bestimmt blasen«, kicherte
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