Aszendent Blödmann
Vater einen vorwurfsvollen Blick zu. Dass er seine Gene aber auch nicht im Griff hatte! Was die Mendelsche Vererbungslehre zum Thema Tollpatschigkeit sagte, entzog sich meiner Kenntnis, aber meine Mutter übertrieb ohnehin maßlos, denn ich fand, dass weder mein Vater noch ich besonders linkisch waren.
Kai streichelte meine Hand und sah mir tief in die Augen. »Ich liebe Melina, so wie sie ist.«
Ein Schauer rieselte über meinen Rücken, und die kleinen Härchen an meinen Armen richteten sich auf. »Schluss jetzt«, zischte ich Kai ärgerlich zu. »Du musst nicht so dick auftragen.«
Doch dieser zuckte nur ungerührt die Achseln. »Wieso, ich sag nur die Wahrheit.«
Schnell entzog ich ihm meine Hand und griff nach meiner Strickjacke. »Sollen wir uns zum Essen nicht lieber nach drinnen setzen? Langsam wird es frisch hier draußen. Findet ihr nicht?«
»Du kannst gerne mein Jackett haben«, bot Kai ritterlich an. Ich wollte dankend ablehnen, aber da war er bereits aufgesprungen und legte mir fürsorglich seine Jacke um die Schultern.
Ich konnte beim besten Willen nicht mehr unterscheiden, was Show und was echt war. Meiner Mutter jedenfalls schien zu gefallen, wie Kai sich um mich bemühte. »Hach, was gäbe ich darum, noch mal so jung zu sein. Nicht wahr, Paul?«, seufzte sie.
»Hm«, war alles, was mein Vater darauf erwiderte. Entweder er hatte die Frage nicht richtig mitbekommen, oder er wusste nicht, welche Antwort darauf die richtige war. Wünschte er sich, noch einmal jung zu sein, würde meine Mutter ihm womöglich unterstellen, dass er heute mit ihr nicht glücklich war. Wünschte er es sich nicht, mutmaßte sie bestimmt, dass er früher nicht mit ihr glücklich gewesen wäre.
Man konnte uns Frauen allerhand vorwerfen, aber ganz bestimmt nicht, dass wir uns die Dinge zu einfach machten. Komplizierte Gedankengänge waren gewissermaßen unsere Spezialität. Dennoch mussten sogar wir ab und an passen. Ich wurde aus Kai einfach nicht schlau. Erst hatte er alles drangesetzt, um mich fertigzumachen, und jetzt half er mir aus der Patsche, indem er meinen Eltern sehr überzeugend den liebevollen Freund und aufmerksamen Verehrer vorspielte. Ich fragte mich, was Kai damit bezweckte.
Während des Essens, das ich kaum anrührte, weil mein Magen immer noch Zicken machte, versorgte mich meine Mutter mit dem neusten Klatsch und Tratsch aus der Heimat. Eigentlich war alles wie immer – bis auf den Part, in dem sie mir für gewöhnlich irgendeinen Junggesellen wie altes Brot oder gammelige Hefeteilchen vom Vortag schmackhaft zu machen versuchte. Der entfiel an diesem Abend. Was für eine Wohltat! Allein das ließ mich Kais Anwesenheit leichter ertragen.
Am kommenden Morgen, nach dem Frühstück, würden meine Eltern abreisen. Dann war der ganze Spuk vorbei.
Kapitel 23
B itte, danke, aber gerne – das waren in den folgenden Tagen die am häufigsten verwendeten Worte zwischen Kai und mir. Obwohl wir ausgesucht höflich miteinander umgingen, war die angespannte Stimmung kaum zum Aushalten. Unser Büro war das reinste Pulverfass, bis zum Rand voll mit unterdrückten Emotionen. Insgeheim wartete ich nur auf den Funken, der dieses hochexplosive Gemisch entzünden und die mühevoll aufrechterhaltene Fassade in die Luft jagen würde.
Manchmal hatte ich das Gefühl, von Kais fragenden Blicken durchbohrt zu werden. Dann war ich drauf und dran, ihm alles ins Gesicht zu schreien. Wie sehr er mich damals, während unserer Schulzeit, verletzt hatte! Wie sehr ich ihn für seine hinterhältigen, gemeinen Intrigen verabscheute! Und wie sehr ich mich trotz allem zu ihm hingezogen fühlte!
Zum Glück hatte ich mit den Vorbereitungen für das Hoteljubiläum alle Hände voll zu tun, sodass ich kaum zum Nachdenken kam. Während einer kurzen Verschnaufpause stellte ich überrascht fest, dass wenigstens in beruflicher Hinsicht im Augenblick alles erstaunlich glattlief. Keine weiteren Katastrophen oder Hiobsbotschaften. Offenbar hatte Kai seine Sabotageaktionen eingestellt. Dann war der Sex mit ihm doch wenigstens zu etwas gut gewesen. Zumindest dachte ich das, bis ich einen Anruf von der Rezeption erhielt.
Verenas Stimme klang nicht besonders freundlich. »Hier ist eine Lieferung für dich, von der Firma Fun & Toys oder Toys & Fun oder so ähnlich.«
»Ach, das sind sicher die bestellten Bobbycars.«
»Und wenn es das Papamobil vom Papst wäre – kommst du bitte runter und sorgst dafür, dass die Dinger hier
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