Aszendent Blödmann
Hochzeit.
»Welche Zimmernummer?«, drängte Kai. »Oder muss ich Verena fragen?«
Hey, das war Erpressung! Auch wenn Kai die Rolle des Schwiegermutterlieblings, wie ich zugeben musste, recht überzeugend gespielt hatte, durfte ich eben nicht vergessen, mit wem ich es zu tun hatte.
»Schon gut, schon gut. Du hast gewonnen. Also, die Sache ist die: Meine Mutter kann die Vorstellung nicht ertragen, dass ich keinen Ehemann abkriegen könnte. Deshalb schleppt sie alle naselang irgendwelche Heiratskandidaten an. Damit sie endlich damit aufhört und mich in Ruhe lässt, habe ich einfach einen Freund erfunden. Ein reines Fantasieprodukt.«
»Ein Freund, der zufälligerweise Kai heißt, das gleiche Auto fährt wie ich und sich mit dir und Fred ein Büro teilt.«
»Genau.«
Aber falls ich gedacht hatte, Kai würde sich mit dieser Auskunft zufriedengeben, befand ich mich auf dem Holzweg. »Und warum hast du deinen Eltern nicht einfach von Conrad erzählt?«, bohrte er weiter. »Immerhin gehört ihm der Kasten hier. Eine bessere Partie kann deine Mutter sich doch gar nicht für dich wünschen.«
Da kannte er aber meine Mutter schlecht. Sie war hoffnungslos romantisch und nicht nur ein bekennender Tupper-, sondern auch ein eingefleischter Rosamunde-Pilcher-Fan. Man konnte ihr sicherlich einiges nachsagen, aber ganz bestimmt nicht, dass sie mich meistbietend verschachern wollte. Im Zweifelsfall hielt sie immer zu dem armen Schafzüchter und nicht zu dem im Geld schwimmenden Großgrundbesitzer.
Kai war jedoch nicht der Einzige, der für meinen Geschmack viel zu viele Fragen stellte. Kaum hatten wir uns auf der Terrasse des Hotelrestaurants niedergelassen, nahm meine Mutter uns auch schon in die Mangel. »Jetzt lasst doch mal hören. Wie habt ihr beiden euch denn kennengelernt?«
Ich verdrehte die Augen. »Mamaaa! Das habe ich dir doch schon am Telefon gesagt.«
»Na und, du weißt doch, dass ich eine Schwäche für Liebesgeschichten habe. Also mach deiner alten Mutter die Freude und erzähl uns noch mal, wie das mit euch beiden angefangen hat.«
»Was soll es denn da schon groß zu erzählen geben? Kai arbeitet seit ein paar Wochen hier im Hotel. Wie ihr ja bereits gesehen habt, teilen wir uns ein Büro. Da kommt man sich beinahe schon zwangsläufig näher.«
Zu nahe, setzte ich im Stillen noch hinzu.
Meine Mutter sah ehrlich enttäuscht aus, was ich ihr noch nicht einmal verdenken konnte. Da hatte sie nur eine Tochter, an deren Liebesleben sie teilhaben konnte, und dann wurde sie einfach mit ein paar kalten, nüchternen Fakten abgespeist. Fast tat sie mir ein wenig leid. Klarer Fall: Sie hatte mit mehr romantischen Komponenten à la Rosamunde Pilcher gerechnet. Wobei es vermutlich weniger die Schafherden und die idyllische Landschaft Cornwalls als das Herzklopfen und die weichen Knie waren, die meine Mutter bei meiner Erzählung vermisste. Die kleinen Details und die großen Gefühle, die einer Liebesgeschichte das gewisse Etwas verliehen.
All das war Kai nur zu gerne bereit beizusteuern. »Als ich Melina zum ersten Mal gesehen habe – es war während eines Montagmorgen-Meetings –, wusste ich gleich: die oder keine. Noch bevor wir uns miteinander bekannt gemacht haben, ist sie mir aufgefallen. Weißt du noch, Mel, du hast an dem Tag eine schwarze Hose und diese blaue Bluse getragen, die deine Augen noch mehr zum Leuchten bringt.«
Meine Kinnlade gehorchte dem Gesetz der Schwerkraft und klappte nach unten. Es stimmte tatsächlich! Ich hatte bei unserem ersten Zusammentreffen im Hotel wirklich eine saphirblaue Bluse getragen. Dass er sich daran erinnern konnte! Vielleicht handelte es sich aber auch lediglich um einen Zufallstreffer. Blau war meine Lieblingsfarbe, entsprechend viele Kleidungsstücke in allen möglichen Blaunuancen befanden sich in meinem Kleiderschrank.
»Ach ja, und du hast eine silberne Kette mit einem kleinen Amulett getragen«, fuhr Kai unbeirrt fort.
Langsam wurde mir das unheimlich. Fast rechnete ich damit, dass er mir auch noch die Farbe des Slips, den ich an diesem Tag angehabt hatte, nennen würde.
Kai grinste spitzbübisch, während er weiter in seinen Erinnerungen herumkramte. »Sie hat ihren Kaffee auf dem Konferenztisch verschüttet.«
An dieser Stelle hatte meine Mutter offenbar das Gefühl, einschreiten und sich für mich entschuldigen zu müssen. »Sie kann hin und wieder ein bisschen tollpatschig sein. Aber von mir hat sie das nicht.«
Über ihr Weinglas hinweg warf sie meinem
Weitere Kostenlose Bücher