Aszendent Blödmann
in einer Hinsicht waren Männer wie kleine Jungs: Was der eine hatte, wollte der andere auch haben. Zumindest war das bei Autos und Frauen so. Ich hoffte, dass das auf Babys ebenfalls zutraf.
»Na dann, herzlichen Glückwunsch zum Nachzügler, alter Junge!«, gratulierte Conrad.
Wieder war ein Grund für ausgiebiges Schulterklopfen gefunden. Komische Marotte! Vielleicht beherrschten Männer ja so eine Art geheimes Morsealphabet, mit dem sie sich, unbemerkt von uns Frauen, geheime Botschaften zukommen ließen. Morste beispielsweise einer: »Hast du die scharfe Braut am Nebentisch gesehen?«, morste der andere heimlich zurück: »Und ob, geiles Fahrgestell.« Das würde auch erklären, warum sie einander in Gesprächen oftmals nur belangloses Zeug erzählten.
Da ich mich mit dieser nonverbalen Form der Kommunikation nicht auskannte und auch gar nicht das Bedürfnis verspürte, auf Achims Schulter herumzutrommeln, versuchte ich mich auf herkömmliche Weise an der Unterhaltung zu beteiligen. »Das ist ja toll! Ein Baby – wie schön.«
Es konnte nicht schaden, Interesse an Achims Familienzuwachs zu signalisieren. Sicher würde der frischgebackene Papa gleich ein paar Fotos seines entzückenden Wonneproppens hervorkramen, um vor Conrad mit seiner Potenz zu prahlen und uns sein Glück unter die Nase zu reiben. Wie ich mittlerweile gelernt hatte, trugen alle Eltern immer zwei bis drei Tempotaschentücher für Notfälle sowie mindestens ebenso viele Bilder ihrer Sprösslinge mit sich herum. Alle – bis auf Achim. Selbst auf meine Nachfrage hin konnte er nicht einmal mit einem unscharfen oder verwackelten Schnappschuss seines Kindes – war es eigentlich ein Sohn oder eine Tochter? – aufwarten. Wo gab’s denn so etwas?! Ich zwang mich, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Dass Achim kein Foto seines Sprösslings in der Brieftasche hatte, musste nichts über seine Qualitäten als Vater aussagen. Immerhin konnte er sich, als ich ihn danach fragte, nicht nur an das Geschlecht, sondern sogar an den Namen seines Kindes erinnern. Eine kleine Laura Sophie.
Beim Gedanken an seine Tochter wurde der ansonsten so laute und poltrige Kerl auf einmal ganz still. Gedankenverloren malte er mit dem Fingernagel kleine Kringel und Striche auf die Tischdecke. »Ich hatte schon fast vergessen …«
»… wie schön das Leben mit kleinen Kindern ist«, beendete ich seinen Satz eifrig. Ich konnte förmlich spüren, wie Charlotte mir anerkennend auf die Schulter klopfte. Endlich! Das Gespräch bewegte sich langsam in die richtige Richtung.
Achim sah mich überrascht an. »Das wollte ich eigentlich nicht sagen. Ich hatte schon fast vergessen, wie anstrengend das Leben mit einem Baby ist. Tag und Nacht Geschrei, kaum noch Schlaf, ganz zu schweigen von dem ganzen Zeug, das man immer mitschleppen muss, wenn man nur mal eben vor die Tür gehen will.«
»Mag sein«, gab ich ihm widerwillig recht. Am liebsten hätte ich den Kerl mal kräftig durchgeschüttelt. »Aber denk doch an all die wunderbaren Momente, das Glück und die Wärme, die entzückenden Speckringe an den Ärmchen, das erste Lächeln, das niedliche Glucksen – das entschädigt doch für alles«, zitierte ich Charlotte, in der vagen Hoffnung, Achim noch etwas Positives über sein Kind zu entlocken.
Doch Fehlanzeige.
»Hast du Kinder?«, fragte er lauernd.
Treffer. Versenkt.
»Nein«, antwortete ich wahrheitsgemäß. Damit hatte ich, wie Achim mir deutlich zu verstehen gab, jedes Recht auf Mitsprache bei diesem Thema verwirkt. »Das heißt, ich habe ein Patenkind«, versuchte ich den Mangel an leiblichen Kindern durch geliehene wettzumachen.
»Das ist nicht dasselbe.«
»Bereust du es, so spät noch mal Vater geworden zu sein?«, hakte Conrad, der sich langsam für das Thema zu interessieren begann, bei seinem alten Kumpel nach.
Am liebsten hätte ich Achim den Mund oder Conrad die Ohren zugehalten! Oder sicherheitshalber sogar beides. Aber noch war nicht alles verloren. Insgeheim hoffte ich, dass Achim jetzt noch mal die Kurve kriegen und uns versichern würde, dass er sich ein Leben ohne den kleinen Wurm gar nicht mehr vorstellen konnte.
Achim beugte sich leicht über den Tisch zu uns herüber und blies mir dabei eine Wolke seines alkoholgeschwängerten Atems ins Gesicht. »Ganz ehrlich?« Er senkte die Stimme und schaute sich um, so als habe er Angst, von irgendjemandem belauscht zu werden. Erst nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Luft rein war, fuhr er fort:
Weitere Kostenlose Bücher