Aszendent Blödmann
»Das war der größte Fehler, den ich je gemacht habe.«
Ruuuuhe! Ich wollte das alles gar nicht hören. Und vor allem wollte ich nicht, dass Conrad es hörte! Sein alter Segelkumpan wirkte so empfängnisfördernd wie ein Verhütungsmittel. Auf die Pille würde ich in den nächsten Wochen getrost verzichten können.
»Die Geburt hat alles verändert«, fuhr Achim fort. »Peng! Von einem Tag auf den anderen hat Sandy sich in ein richtiges Muttertier verwandelt. Früher war sie eine attraktive Frau, gut aussehend, sexy, na, ihr wisst schon, enge Röcke und tiefer Ausschnitt. Ein echtes Vollblutweib eben. Jetzt trägt Sandra immer bloß tagaus, tagein Jeans und T-Shirts.«
Als aufmerksamem Zuhörer war mir nicht entgangen, dass Achims zweite Frau nicht nur ihren Klamottenstil, sondern auch den Vornamen gewechselt hatte. Aus Sandy war Sandra geworden. Ich konnte mir nicht helfen: Irgendwie war mir das Muttertier Sandra wesentlich sympathischer als Sexy Hexy Sandy. Achim sah das wohl ein wenig anders. Er hatte es nicht besonders eilig, nach Hause zu Frau und Kind zu kommen. Trübsinnig starrte er in sein leeres Glas. »Wenn ich das geahnt hätte, wäre ich gleich bei meiner ersten Frau geblieben. Damit hätte ich viel Ärger und jede Menge Kohle sparen können.«
»Ach was«, versuchte Conrad ihn aufzumuntern. »Ich bin sicher, morgen siehst du das schon wieder ganz anders. Komm, jetzt trinken wir erst mal noch einen.«
Auf dem Weg zum Auto legte Conrad den Arm um meine Schultern und zog mich eng an sich. Ich machte mir nichts vor: Einer Parkuhr oder einer Litfaßsäule wäre in diesem Moment eine ähnlich liebevolle Behandlung zuteil geworden – vielleicht mit Ausnahme des Schmatzers, den Conrad mir auf die Haare drückte –, denn eigentlich suchte er nicht meine Nähe, sondern einfach nur irgendetwas zum Abstützen. Das leichte Schwanken verriet ihn. Kein Wunder – er hatte ja auch etliche Gläser Scotch intus.
»Sicher hattest du dir den Abend etwas anders vorgestellt, oder?«, nuschelte er undeutlich, als er sich mit meiner Hilfe auf den Beifahrersitz plumpsen ließ.
Aber nein! Wie kam Conrad nur darauf! Ich fand es toll, dass Achim ihm das Thema Nachwuchs so madig gemacht hatte. Nun musste ich wieder geradebiegen, was dieser Schwachkopf versaut hatte.
Während ich den Wagen startete, überlegte ich angestrengt, womit der Mangel an Schlaf, Beischlaf inklusive, aus Sicht eines Mannes wettzumachen war. Kinderfreibetrag und Kindergeld waren, wenn man Achim Glauben schenkte, wohl eher so eine Art Schmerzensgeld und sicherlich kein Anreiz, um Kinder in die Welt zu setzen. Erschwerend kam hinzu, dass Conrad bereits über einschlägige Erfahrung verfügte. Zwar hatte ich keine Ahnung, wie viel Freude Ilka ihren Eltern als kleines Mädchen bereitet hatte, aber wenn ich mir die Fürstin der Finsternis so anschaute, war ich mir sicher, dass dieses Kontingent längst aufgebraucht war. Von daher könnte ich es Conrad nicht einmal verübeln, wenn er die Familienplanung ein für alle Mal ad acta gelegt hätte. Wer einmal mit den Händen auf eine heiße Herdplatte gefasst hatte, war sicher nicht allzu erpicht darauf, es noch einmal zu versuchen …
So oder so: Ich wollte endlich Klarheit haben. Jetzt sofort. Vielleicht war es gar nicht einmal so schlecht, dass Conrad ziemlich angesäuselt war. Kinder und Besoffene sagen die Wahrheit. O. K., dann war jetzt genau der richtige Moment, um Tacheles zu reden.
»Duuuu, Conrad?«
»Hmm?«
»Ich weiß, das ist jetzt vielleicht nicht ganz der ideale Zeitpunkt, aber eigentlich gibt es den idealen Zeitpunkt ja überhaupt nicht, und wenn es den idealen Zeitpunkt gäbe, dann wäre er ganz bestimmt nicht jetzt, ich meine, nach allem, was dein alter Freund Achim dir eben so erzählt hat.« Vor lauter Nervosität plapperte ich wie ein Wasserfall, die Worte purzelten ganz von allein immer schneller und schneller aus mir heraus. »Eigentlich wollte ich schon den ganzen Abend mit dir darüber reden, aber erst hat uns der Kellner gestört, und dann ist dein Freund Achim aufgetaucht. Na, wie auch immer, ich sage es jetzt einfach mal ganz offen: Was hältst du davon, wenn wir – also du und ich – ein Kind bekämen?«
Puh, jetzt war es raus. Was für eine schwere Geburt! Angesichts dieses Vergleiches hatte ich Mühe, ein nervöses Kichern zu unterdrücken. Angespannt umklammerte ich das Lenkrad und wartete auf Conrads Reaktion. Doch anstelle einer Antwort schlug mir nur eisiges
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