Aszendent Blödmann
Schweigen entgegen. Obwohl es im Auto muckelig warm war, begann ich zu frösteln.
Na toll, ich hätte es wissen müssen. Wahrscheinlich war Conrad jetzt stinksauer, dass ich ihn mitten in der Nacht – noch dazu nach einem feucht-fröhlichen Zechgelage – mit solch einem brisanten Thema überfiel. Ich traute mich nicht, ihn anzuschauen, und heftete meinen Blick starr auf die Fahrbahn.
Als ich das Schweigen, das wie eine unsichtbare Mauer zwischen uns stand, kaum noch ertrug, wurde die Stille endlich durchbrochen: Vom Beifahrersitz kamen laute Schnarchgeräusche. Mit halb geöffnetem Mund schlief Conrad seinen Rausch aus. Keine Ahnung, wie viel er von meinem Monolog mitbekommen hatte, aber offenbar war es ihm so ergangen wie mir gewöhnlich beim Sonntagabendkrimi: Den entscheidenden Teil hatte er verpennt.
Kapitel 5
C harlottes Gardinenpredigt war wider Erwarten ausgeblieben. Keine Vorhaltungen, dass ich Conrad in Sachen Familienplanung nicht ins Kreuzverhör genommen hatte. Ja, nicht einmal die übliche bissige Bemerkung über meine Eierstöcke, die sich laut Charlotte bereits auf ihren wohlverdienten Ruhestand vorbereiteten. »Aufgeschoben ist nicht aufgehoben«, sagte sie lediglich, nachdem ich ihr von dem verkorksten Theaterabend erzählt hatte. Was war bloß los mit ihr? Meine temperamentvolle Freundin war plötzlich so streitlustig wie ein schlafendes Meerschweinchen. Fast wünschte ich mir, sie hätte ein ordentliches Donnerwetter vom Stapel gelassen, denn wie sich herausstellte, war Charlotte so mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, dass meine drohende Menopause vorübergehend in den Hintergrund rückte.
Bei der Hausarbeit hatte sie eine Entdeckung gemacht, die sie mehr denn je an Andreas’ Treue zweifeln ließ. Wie’s schien, hatte meine Freundin tatsächlich den richtigen Riecher gehabt. Und das gleich in doppelter Hinsicht: Beim Sortieren der Wäsche war ihr »ganz zufällig« ein verräterischer Parfümgeruch aufgefallen. Ich kaufte Charlotte nicht ab, dass sie »ganz zufällig« ihre Nase in die Wäschetonne gesteckt hatte. Allerdings fragte ich mich natürlich auch, wie das fremde Damenparfüm an Andreas’ Hemd gekommen war. Enge Zusammenarbeit mit den Kollegen und Kolleginnen gut und schön – aber so eng auf die Pelle zu rücken brauchte man sich im Büro ja nun auch wieder nicht …
Nach dem ersten Schock schritt Charlotte zur Tat. Froh, endlich was tun zu können und nicht nur zum tatenlosen Herumsitzen verdammt zu sein, klapperte sie, mit dem Herrenhemd im Gepäck und Ben im Schlepptau, alle Parfümerien und Drogeriemärkte in der Umgebung ab, um ein »Täterprofil« ihrer Nebenbuhlerin zu erstellen. Wenn sie erst einmal herausgefunden habe, um welches Duftwässerchen es sich handle, könne sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, mit welchem Typ Frau sich Andreas eingelassen habe. Schließlich sei es ein himmelweiter Unterschied, ob sich Andreas’ Geliebte Chanel N°5 oder das neueste Duftwässerchen von Christina Aguilera hinter das Ohr tupfen würde. Ob Charlotte die flippige oder die konservative Variante lieber wäre, traute ich mich nicht zu fragen. Mir an ihrer Stelle wäre es völlig schnurz, welches Parfüm Andreas in die Nase stieg, während er mit seiner Geliebten – sofern es diese tatsächlich gab – herummachte. Aber diese Bemerkung schluckte ich aus Rücksicht auf Charlottes angegriffenes Nervenkostüm lieber herunter. Außerdem war es ohnehin einfacher, einen fahrenden Güterzug mit bloßen Händen zu stoppen, als Charlotte von ihrem Vorhaben abzubringen. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann zog sie das durch, egal wie hirnrissig es auch sein mochte.
Mein Vorschlag, Andreas einfach auf den Parfümgeruch anzusprechen, wurde von meiner Freundin resolut abgeschmettert. Den untreuen Ehemann zu warnen sei nun wirklich das Blödeste, was eine Frau in dieser Situation tun könne. Er würde alles bloß abstreiten und in Zukunft vorsichtiger sein. Umso schwieriger würde es werden, ihn der Untreue zu überführen.
Doch Charlottes Ehe war leider nicht der einzige Grund zur Besorgnis. Auch beruflich lief es bei mir alles andere als rund. Kai war es nämlich ebenfalls gelungen, heimlich, still und leise seine Duftmarke zu setzen. Während andere oftmals tagelang warten mussten, bis ihnen die Fürstin der Finsternis eine Audienz gewährte, war Kai einfach in ihr Büro spaziert und hatte ihr vorgeschlagen, die beiden Suiten, die in Kürze
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