Aszendent Liebe: Roman (German Edition)
Backsteinhäuser, stattdessen gibt’s moderne Glas- und Betongebäude. Aber der Campus verfügt über Panoramablicke. Er liegt westlich der Stadt und ragt in den Ozean, der zusammen mit den Bergen und Bäumen einen perfekten Hintergrund bildet. Auf der Hauptstraße des Campus sind Autos verboten, dort wimmelt es vor Studenten in Sweatshirts mit Rucksäcken, die von Gebäude zu Gebäude eilen. An schönen Tagen wie heute sitzen einige auf dem Rasen und strecken ihren Kopf in die Sonne wie Küken. Es ist erst März, aber der Frühling kommt früh nach Vancouver.
Nicks Büro liegt im Mathegebäude. Ich brauche eine Weile, um es zu finden. Offensichtlich haben Statistikprofessoren keinen Anspruch auf ein Eckbüro mit Ausblick. Sein Büro befindet sich am Ende eines dunklen, schmalen Korridors. Ich muss drei Studenten nach dem Weg fragen, um es zu finden. An seiner Tür hängt ein graviertes Namensschild, NICHOLAS MCKENNA, PHD, und sie ist mit Cartoons aus dem New Yorker und den Far-Side-Büchern bedeckt. Ein paar davon sind witzig, andere arbeiten mit Mathehumor, der mir völlig fremd ist. Ich hasse Witze, die ich nicht verstehe. Seine Tür steht einen Spalt offen, und als ich klopfe, schwingt sie ganz auf.
Sein Büro hat ungefähr die Größe meines Garderobenschranks. Es gibt gerade Platz genug für einen Schreibtisch, seinen Stuhl, ein wackelig aussehendes Bücherregal und einen winzigen Stuhl für Besucher. An einer Wand hängt das Filmplakat von Die Spur des Falken . Wenn sie den Schreibtisch nicht an Ort und Stelle aufgebaut haben, weiß ich nicht, wie sie ihn in dieses Büro bekommen haben. Hinter dem Schreibtisch befindet sich ein schmales Fenster, dessen Sims voller Papiere und Bücher ist. Das Durcheinander scheint ihn offensichtlich nicht zu stören. Er schaut auf, und ich merke, dass er überrascht ist, mich zu sehen. Seine Brille rutscht auf seiner Nase nach unten, und er steht auf, setzt sich hin und steht dann wieder auf.
»Ich vermute, Sie haben mich nicht erwartet, oder?«
»Bitte, kommen Sie herein.« Er legt einen Papierstapel von der Schreibtischecke auf den Boden, damit er mich sehen kann. »Haben Sie die Recherche bereits beendet? Ich wäre vorbeigekommen, um alles abzuholen.«
»Ja, ich habe es hier. Es gibt endlos viel über diesen Typ, aber ich habe nur das Grundsätzliche ausgedruckt, nach dem Sie ja gesucht haben. Es macht mir nichts aus, hier vorbeizukommen. Ich wollte Ihnen eigentlich noch ein paar Fragen stellen und dachte, das ist einfacher, wenn ich hier bin.«
»Sicher. Kein Problem. Ich finde es toll, dass Sie das so schnell erledigt haben. Ich habe wohl eine meisterhafte Rechercheurin vor mir. Kann ich Ihnen irgendetwas anbieten? Wir haben Kaffee und Tee im Hauptbüro.«
Ich schüttele den Kopf. Er ist wirklich ziemlich nett, ich hoffe, das heißt, dass er jungen Frauen in Bedrängnis wie mir helfen will. »Ich wollte Sie fragen, warum Leute Wahrsager aufsuchen.«
Er lehnt sich in seinem Stuhl zurück, und ich sehe, wie er in den Dozentenmodus verfällt. »Die Menschen gehen aus den unterschiedlichsten Gründen dorthin. Meistens bloß zur Unterhaltung. Sie sehen es als eine Möglichkeit, einen Blick auf ein Weihnachtsgeschenk zu erhaschen und zu entdecken, was die Zukunft für sie bereithält. Es ist ein Spaß. Sie lachen darüber. Ein gewiefter Wahrsager gibt dem Kunden gerade so viele Informationen, dass dieser neugierig wird. Und einigen Leuten geht es dann bald so, dass sie sich unwohl fühlen weiterzuleben, ohne eine Vorstellung davon zu haben, was auf sie zukommt. Der andere Grund ist für mich ärgerlicher: Leute, die einen Menschen verloren haben, haben manchmal das Gefühl, dass ihnen etwas fehlt und suchen nach Kontakt. Sie werden in der Hoffnung, kommunizieren zu können, zu einem Medium gehen.«
»Das ist wirklich tragisch.«
»Es ist furchtbar. Das Medium hat keinen Kontakt zu irgendwem oder irgendwas, außer zu dem Geldbeutel des Kunden. Es wird ein paar Plattitüden und Vermutungen in den Raum stellen. Der Kunde hört nur, was er hören will, und bezahlt dafür, ausgenommen zu werden.«
»Wie können Sie sich so sicher sein, dass das Medium nicht echt ist? Wie hinterfragen Sie, was es sagt?«
Er lehnt sich noch weiter in seinem Stuhl zurück. Ich warte darauf, dass er nach hinten kippt, aber er hat den Punkt des perfekten Gleichgewichts gefunden. »Das ist meistens gar nicht so schwierig, wenn man aufmerksam ist. Hier, ich zeige es Ihnen.« Er verlässt den
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