Aszendent Liebe: Roman (German Edition)
Raum für eine Minute und kommt mit einem Fernseher, der auf einem Rollwagen steht, zurück. Er passt nicht ins Zimmer, daher stellt er ihn in die Tür und schiebt sich an mir vorbei, um den Stecker einzustecken. Mir fällt auf, dass er erdig und warm riecht wie ein Zedernholzschrank.
Er legt eine Kassette in den Videorekorder. Es ist ein Video von Gary Krull, dem Typ, über den ich für ihn recherchiert habe. Es ist das Video eines Fernsehspecials, bei dem Krull vor einem anscheinend authentischen Studiopublikum einer Frau wahrsagt. Er behauptet, er spräche mit ihrem verstorbenen Ehemann. Am Ende der Kassette weint die Frau, und jeder Zuschauer im Publikum ist verblüfft. Ich bin es ehrlich gesagt auch, denn normalerweise interessiert mich so was nicht. Nick drückt auf die Pausentaste.
»Also, was hat Krull erfolgreich erraten?«
»Viel. Er wusste, dass ihr Ehemann an Krebs gestorben ist, dass er ein großer Footballfan war und dass sie deswegen Streit hatten. Er wusste, dass der Ehemann nicht so zärtlich war, wie er es hätte sein sollen, und dass sie ein Foto von den beiden dabeihatte.« Ich schniefe. Es war eigentlich ziemlich süß.
»Er hat ihr nichts von all dem gesagt.« Nick verschränkt die Arme vor der Brust.
»Doch, hat er. Ich habe es doch gerade gehört.«
»Nein. Schauen Sie es sich noch einmal an. Dieses Mal drücke ich immer wieder auf Pause.« Er spult die Kassette zurück und beginnt von vorn. Dieses Mal sehe ich es. Krull fängt mit allgemein gültigen Phrasen an und lässt die Frau die Details ausschmücken. Zum Beispiel, dass sie wegen eines Mannes hier ist, nicht wahr? Ihrem Vater? Nein? Dann schüttelt sie den Kopf und sagt, dass es um ihren Ehemann geht. Krull greift diese Information auf und macht weiter. Ja, er erkennt nun, dass es ihr Ehemann ist. Ist er schnell gestorben? Sie sagt, nein, er habe Krebs gehabt. Krull unterbricht sie, um zu erklären, dass er meinte, dass es gegen Ende wirklich schnell gegangen ist, und sie stimmt zu. Er sagt, dass ihr Ehemann das Krankenhaus gehasst hat, aber, hey, wer hätte das nicht erraten? Krull errät, dass er Sport mochte, was, seien wir ehrlich, auch eine ziemlich sichere Sache ist. Er hat zuerst Basketball vermutet. Er lag öfter falsch als richtig, aber man merkt es nicht, wenn man ihn beobachtet. Ich sollte Notizen machen. Krull war schleimig, aber er war gut.
»Verblüffend«, sage ich, als er das Band wieder anhält.
»Ich garantiere Ihnen, würde man die Frau fragen, was Krull gewusst hat, würde sie sich nicht daran erinnern, dass sie ihm die Hälfte der Informationen selbst mitgeteilt hat. Sie wird sich nur daran erinnern, dass er all diese bemerkenswerten Dinge wusste. Bei ihm klingt es so, als könne er die Stimme aus dem Jenseits nur schwer verstehen und dass er ihre Hilfe bräuchte. Ist Ihnen aufgefallen, wie er seinen Kopf zur Seite neigt, wie ein Hund, der eine Hundepfeife hört? Das verschafft ihm Zeit, um ihre Körpersprache und ihre Reaktion auf das, was er bereits gesagt hat, zu interpretieren. Haben Sie gesehen, wie sie nickt, wenn er rät? Dadurch kommt die Frau unter Druck, ihm weiterzuhelfen. So weiß er, dass er auf der richtigen Spur ist. Diese raffinierten, sogenannten Medien sind von Haus aus gute Menschenkenner. Sie sind auch Spieler und rechnen mit Wahrscheinlichkeiten. Eine Frau dieses Alters, die weint, noch bevor die Sitzung beginnt? Da weiß man, dass die Chancen hoch sind, dass es um einen Verstorbenen geht, um einen Vater, ein Kind, einen Ehemann. Erinnern Sie sich, wie er sagt: ›Ich sehe ein Krankenhaus‹? Das könnte sich auf eine Million Dinge beziehen, eine Krankheit, einen Unfall. Sie schmückt es für ihn aus.«
»Das klingt ziemlich einfach.«
»Wie vieles sieht es einfacher aus, als es ist. Aber Sie haben recht. Es ist nicht kompliziert. Man muss selbstbewusst wirken. Die Schlacht ist schon halb gewonnen, wenn man den Menschen, um den es geht, dazu bringt, einem zu glauben. Man muss ihn überzeugen, dass, wenn man ein wichtiges Detail übersieht, es daran liegt, dass sie nicht richtig mitmachen.«
»Diese Leute sollten sich mal psychologisch untersuchen lassen.«
»Vielleicht. Jeder glaubt an etwas, und viele Menschen wollen an etwas Besonderes glauben, da ist es einfach, an Wahrsager zu glauben. Schwierig ist es, die Menschen zu kritischem Denken zu bringen.«
»Glauben Sie, dass Sie es mir beibringen können?« Ich beuge mich über den Schreibtisch. Er sieht mir in die Augen und runzelt
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