@ E.R.O.S.
LED-Fenster meines Anrufbeantworters. »Hast du die Mitteilungen schon abgehört?«
»Ich wollte mich nicht mit ihnen beschäftigen.«
Er runzelt die Stirn und drückt, als ich keinen Einwand erhebe, auf den Abspielknopf. Eine Minute später spielt dasBand die Nachrichten ab. Die meisten stammen von verschiedenen örtlichen Polizeibehörden. Ein paar alte Freunde warnen mich, daß die Polizei sich bei ihnen nach mir erkundigt hat. Ein Anruf kommt von einer Kreditkartengesellschaft, die ihre Vorzüge anpreist. Und sechs stammen von Detective Michael Mayeux von der Polizei von New Orleans. Miles und ich lauschen seiner letzten Nachricht mit gespanntem Schweigen.
»Mr. Cole, ich weiß nicht, wo Sie sind, aber Sie sollten endlich mal Ihre Anrufe abhören. Sie glauben es mir vielleicht nicht, aber ich mache mir Sorgen um Sie. Falls das FBI Sie zu irgendeiner Kooperation gezwungen hat, sollten Sie besser verdammt vorsichtig sein. Dieser Fall ist ganz schnell verdammt seltsam geworden. Bei den beteiligten örtlichen Polizeibehörden gibt es ziemlich viel böses Blut. Heutzutage gibt das FBI Informationen durchaus bereitwillig weiter, aber zur Zeit benehmen die Brüder sich wie damals in den siebziger Jahren. Einige Leute behaupten, sie hätten die Ermittlung bereits verpatzt. Ich weiß, das ist nicht Ihr Problem. Ich will damit nur sagen, daß die Dinge einen Punkt erreichen könnten, an dem die beteiligten Abteilungen einfach die Nase voll haben und sich entschließen, das zu tun, was sie von Anfang an tun wollten, nämlich die Sache auffliegen lassen, EROS dicht machen und Sie und Turner verhaften. Sie müssen zugestehen, ich habe Sie anständig behandelt, als Sie sich an uns wandten. Wenn Sie Hilfe brauchen – und die brauchen Sie, Mann – bin ich der richtige Ansprechpartner. Und jetzt rufen Sie mich an.«
Miles wandert mittlerweile im Zimmer auf und ab. »Was hältst du davon?« frage ich ihn.
»Soweit wird es nicht kommen«, sagt er geistesabwesend. »Daß sie sich an die Öffentlichkeit wenden und EROS dichtmachen, meine ich. Die örtlichen Polizeibehörden werden es nicht wagen, das FBI gegen sich aufzubringen.«
»Könnten wir Mayeux zu unserem Vorteil einsetzen?«
»Soweit sind wir noch nicht. Ignoriere ihn einfach.«
»Ich bin froh, daß er kein Cop in Mississippi ist. Dann stünde er schon vor der Haustür.«
Miles läßt sich auf die Bettkante fallen und seufzt.
»Du hast gesagt, sie hätten Karin Wheats Kopf in der Nähe des Bonnet-Carre-Damms gefunden«, sage ich. »Bei der Straße nach La Place. Das heißt, daß er am Flughafen von New Orleans vorbeigefahren ist. Aber aufgrund der Entfernungen zwischen den Städten, in denen die bisherigen Morde stattfanden, bin ich stets davon ausgegangen, daß Brahma fliegt.«
»Vielleicht hat er in Baton Rouge eine Maschine genommen«, wirft Miles ein. »Der Flughafen ist nur eine Stunde entfernt, und auf dem Weg dorthin kommt man an La Place vorbei. Oder er ist nur nach La Place gefahren, um den Kopf aus dem Auto zu werfen, und hat dann umgedreht und ist zum Flughafen zurückgefahren. Das FBI weiß nicht, welches Transportmittel er benutzt. Der gesunde Menschenverstand sagt uns, daß er fliegt, aber zwischen den Morden ist so viel Zeit vergangen, daß er auch mit einem gottverdammten Trailway-Bus gefahren sein könnte.«
»Abgesehen von der einen Nacht, die zwischen der Ermordung Karin Wheats und der Entführung Rosalind Mays liegt.«
Er nickt. »Sie gehen die Unterlagen der Fluggesellschaften durch und sehen sich die Passagierlisten der Flüge an, die nach den Morden in den jeweiligen Städten abgingen, haben bislang aber keine verdächtigen Übereinstimmungen gefunden.«
»Er hätte ein Privatflugzeug nehmen können«, sage ich. »So wie du, um hierher zu kommen.«
»Das überprüfen sie ebenfalls.« Er schaut auf und sieht mir ins Gesicht. »Willst du damit irgend etwas sagen?«
»Immer mit der Ruhe. Ich habe nur laut gedacht.«
Er fährt mit beiden Händen über den frisch geschorenen Kopf und sieht an mir vorbei. »Hast du über das nachgedacht, was wir besprochen haben? Das Trojanische Pferd?«
»Ein wenig.«
»Und?«
»Ich bin dabei.«
Ein breites Lächeln hellt sein Gesicht auf. »Na schön . Jetzt kochen wir mit Gas.«
Miles’ gelegentliche Rückfälle in den Südstaatenslang überraschen mich, aber wahrscheinlich schleppt wohl jeder Flüchtling kulturelles Gepäck mit sich herum.
»Hast du dir überlegt, wie wir es machen wollen?«
Weitere Kostenlose Bücher