@ E.R.O.S.
fragt er. »Ich meine, eine echte EROS-Kundin oder eine Person aus dem Stegreif?«
»Keine echte Kundin«, erwidere ich. »Ich will niemand solch einem Risiko aussetzen. Aber ich will auch nicht ganz von vorn anfangen.«
Er kneift die Augen zusammen. »Ich verstehe nicht ganz.«
Ich trete ans Bett und schaue zu ihm hinab. »Ich werde es dir einmal erklären. Danach wirst du mir keine Fragen mehr darüber stellen.«
»Okay. Hast du einen bestimmten Namen im Sinn?«
»Ja.«
»Und welchen?«
»Erin.«
Er blinzelt.
»Keine Fragen?«
»Ich kapier’ das nicht. Ist dir der Name aus heiterem Himmel eingefallen, oder sprichst du von unserer Erin?«
»Von meiner Schwägerin.«
Er pfeift leise.
»Wenn diese Sache funktionieren soll, Miles, muß sie authentisch sein. Diese übertriebene Persönlichkeit, mit der Lenz es versucht, wird bei Brahma nicht lange ankommen. Ich meine, jemand hat tatsächlich diese Rudelvergewaltigung erlebt, aber nicht Lenz . Wahrscheinlich ist das einer seiner Patientinnen passiert. Brahma delektiert sich am Schmerz echter Menschen. Und Erin ist genau die richtige. Ich weiß so einiges über sie ... Dinge, die mir helfen könnten, sie sehr gut darzustellen.«
»Wie du willst«, sagt Miles ganz ruhig. »Ich vertraue deinem Instinkt.«
»Lenz glaubt, daß Brahma es jetzt auf ältere Frauen abgesehen hat. Deshalb hat er ›Lilith‹ achtundvierzig Jahre alt gemacht. Aber ich kann eine Achtundvierzigjährige nicht überzeugend spielen. Deshalb müssen wir darauf hoffen, daß er nicht nur an Empfängerinnen, sondern auch Spenderinnen interessiert ist.«
Er breitet die Hände aus. »Wie du meinst. Aber eine Frage muß ich stellen. Willst du ›Erin‹ als dein Online-Pseudonym benutzen oder als richtigen Namen hinter dem Pseudonym?«
»Als Online-Pseudonym. Laß dir einen beliebigen richtigen Namen einfallen.«
Miles verdaut das nur langsam. »Ich werde dich nicht fragen, wie du darauf kommst. Du spielst die Rolle, also suchst du auch das Kostüm aus. Aber hast du keine Angst, daß du Brahma irgendwie zu Erin führen könntest, wenn du ihren Namen benutzt?«
»Nein. Weil es nicht die richtige Erin sein wird. Es wird eine Mischung aus Erins Persönlichkeit und meiner sein. Ein Hybride. Darüber hinaus wird der Umstand, daß das Pseudonym ›Erin‹ lautet, Brahma nicht im Traum daran denken lassen, daß Erin ihr richtiger Name sein könnte.«
»Du hast recht«, sagt er und schaut zur Abwechslung mal beeindruckt drein.«
»Du hast die Aufgabe, eine wasserdichte falsche Identität zu schaffen, die nicht nachprüfbar ist. Und die Adresse macht mir Sorgen. Ich weiß, du kannst mit deiner Hackerei eine Menge erreichen, aber du kannst nicht den Ort verändern, wo wir sind. Was, wenn Brahma tatsächlich die Telefonverbindung zurückverfolgen kann?«
»Das bezweifle ich. Jedenfalls ist das nicht so leicht. Aber selbst, wenn er es versucht, wird es ihm nicht gelingen.«
»Wieso nicht?«
»Ich hacke mich wieder ins Fernsprechamt in Jackson ein und verändere bei AT&T ein paar Telefonnummern undAdressen. Dann passe ich die Daten denen von ›Erin‹ an, die ich in den DMV-Computer und überall sonst eingebe.«
»Ich dachte, in die Fernsprechämter käme man praktisch nicht mehr rein.«
»Einigen Leuten ist es gelungen. Aber ich wette, daß es in Mississippi die wenigsten Infiltrationsversuche aller Bundesstaaten der USA gab.« Er lächelt. »Und mit mir werden sie bestimmt nicht fertig, Grashüpfer.«
»Ich bitte dich um ein Versprechen, Miles.«
»Was?«
»Drewe weiß nicht, was wir versuchen. Sie hat nicht die geringste Ahnung. Mir ist es egal, was wir ihr sagen, aber die Wahrheit darf es auf keinen Fall sein.«
Er hebt beide Hände. »Hältst du mich für bescheuert?«
»Wir beide wissen, daß es illegal ist.«
»Ja. Aber wir müssen es versuchen.« Verderbtes blaues Licht blitzt in seinen Augen auf. »Und es wird der irrwitzigste Sturmangriff aller Zeiten sein. Mann. «
Unruhe treibt mich zum linken Vorderfenster. Ich muß gegen den Drang ankämpfen, durch die Jalousien zu spähen und festzustellen, ob auf dem dunklen Hof irgendwelche Deputies stehen.
»Kann ich dir eine Frage stellen?« sagt Miles. »Nur eine, dann halte ich endgültig die Klappe.«
»Eine«, sage ich zu der Jalousie.
»Diese Erin-Identität. Wir sprechen hier über irgend etwas, das vorbei ist, oder? Zwischen dir und ihr.«
»Ja.«
»Habe ich mir gedacht.«
Ich wende mich vom Fenster ab, um ihn zu fragen,
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