@ E.R.O.S.
...
Zwei dicht hintereinander erfolgende Explosionen zertrümmern die Stille und rütteln am Fundament des Hauses. Ich springe auf; der Finger am Abzug zittert, und mein Herzschlag hat seinen Rhythmus verloren.
»Harper?«
Ich fahre herum, die Waffe in der Hand. Drewe hat sich auf einen Ellbogen aufgerichtet; ihre Augen sind kaum geöffnet.
»Was ist los?«
»Wir sind in unserem Schlafzimmer. Bleib liegen. Vielleicht haben wir Schwierigkeiten. Wir ...«
Eine dritte Explosion dröhnt durch die Dielenbretter.
Drewe reißt die Augen auf. »Was ...«
Ein gequältes Heulen, wie das einer läufigen Katze, dringt aus der Küche.
»Was war das?« fragt sie mit kaum verständlicher Stimme.
»Zwei Deputies sind in den Bunker gegangen. Vielleicht ist Brahma da unten.«
Ihre Finger schließen sich wie eine Kneifzange um mein Gelenk.
»Hast du noch die Pistole, die du immer hervorgeholt hast, wenn ich verreist war?« frage ich.
Sie nickt. »In der Kommodenschublade.«
»In welcher?« frage ich und ziehe die oberste auf.
»In der. Mein Gott, ist mir schlecht. Bin ich betrunken?«
Drewes Pistole ist eine winzige Charter Arms .25er Automatik, die Bob ihr geschenkt hat, als sie in New Orleans Medizin studierte. Eine seltsam unzulängliche Waffe, wenn manbedenkt, daß sie von einem Mann wie Bob stammt, aber ich vermute, er wollte, daß sie sie problemlos bei sich tragen konnte.
»Herrrr Paa!« schreit eine Stimme, die aus der tiefsten Hölle hätte kommen können.
»Herr Pa? Was ...«
»Er ruft dich«, sagt Drewe. »Er sagt Harper . Wer ist da unten runtergegangen?«
»Billy Jackson. Jimmy Sowieso.«
»Harrrper! Hillll miieee!«
»Der Sheriff ist unterwegs«, erkläre ich ihr mit seltsam rechtfertigendem Tonfall.
Sie nickt schnell. »Du kannst nicht da runter gehen.«
Diesmal zieht das Heulen sich viel länger hin als zuvor. »Ich bluuutee!«
»Ich habe ihm gesagt, er soll nicht da runter! Verdammt!«
Während Drewe mich ansieht, als wolle sie mich zwingen, taub zu werden, wird mir klar, daß ich in einer Lage bin, wie ich sie hundert Mal in Filmen gesehen habe. Gesehen, und dann stumm den Helden angeschrien, er solle nicht in den Wald oder auf den Dachboden oder zu welchem Ort auch immer gehen, von dem jeder halbwegs gescheite Mensch weiß, daß dort das Monster oder der Mörder wartet. Doch während ich hier in der schrecklichen Stille sitze, die auf diese Schreie folgt, kann ich mich einer Tatsache nicht entziehen: Ich habe diese Männer hierher gebracht. Wenn ich ihnen nicht helfe, werde ich ihren Tod ewig auf meinem Gewissen haben. Und ich habe schon zu viel auf dem Gewissen.
»Aaaagghh!«
»Harper, du kannst nichts für sie tun.«
»Ich weiß«, sage ich leise. Meine rechte Hand klammert sich so fest, daß es schon weh tut, um den Griff der Magnum. Der Sheriff wird bald hier sein. Aber Billy und sein Partner könnten bis dahin tot und Brahma in der Sommernacht verschwunden sein. Ein weiterer langgezogener, diesmal aber schwächerer Schmerzensschrei erreicht das Schlafzimmer.
»Ich muß gehen.«
»Was?« fragt Drewe. »Nein, du wirst nicht gehen! Warum mußt du gehen?«
»Ich muß einfach.« Weil es auf diese Weise so oder so vorbei sein wird. Indem ich Brahma töte – ja sogar, indem er mich tötet –, kann ich auf die einzig mögliche Art und Weise für meine Schuld sühnen. Ich will ihr die .25er geben, überlege es mir dann anders und gebe ihr den .357er Colt. Was auch immer ich tue, ich werde nicht hier rausgehen und meiner Frau lediglich eine beschissene Spielzeugwaffe als Schutz dalassen.
Drewe nimmt den großen Revolver mit einer Art betäubtem Gleichmut entgegen. Ich werfe die zusätzlichen Patronen aufs Bett. »Ich will, daß du hinter dem Bett niederkniest und mit der Waffe auf die Tür zielst.«
Sie rollt sich wortlos herum und tut wie geheißen.
»Wenn irgend jemand außer mir hereinkommt, fängst du an zu schießen und hörst nicht damit auf, bis die Waffe leer ist. Hast du verstanden?«
Sie nickt ernst. Sie weiß, daß ich gehen muß, und obwohl sie es nicht will, verschwendet sie keine Zeit damit, es mir auszureden zu versuchen. Der Lauf senkt sich auf Betthöhe und hebt sich dann wieder, bis er auf meine Brust zielt.
»Ich komme klar«, sagt sie. »Geh.«
Ein Wort hallt in meinem Kopf wider, während ich durch den Vorratsraum zu dem schwarzen Loch der geöffneten Falltür des Bunkers schaue. Tunnelratte . Ich habe es vor Jahren gehört, als ein einarmiger Traktorfahrer
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