@ E.R.O.S.
Gebäudes roch nach Tränengas, mein Büro nach Clorox. Die Deputies hatten die Einrichtung während ihres Sturmangriffs und der darauffolgenden Suche kurz und klein geschlagen. Mit meinem .38er bewaffnet, ging ich in den Werkzeugschuppen, suchte ein dickes Brett aus, zersägte es in zwei Teile und hämmerte es mit den längsten Nägeln, die ich fand, quer über die Tür in der Speisekammer. Überzeugt, daß niemand das Haus auf diesem Wegbetreten konnte, ohne daß ich es hörte, kehrte ich ins Büro zurück.
Mein Anrufbeantworter verzeichnete neunzehn Nachrichten. Ich drückte auf den Knopf und ließ mich in den Drehsessel fallen, um sie mir anzuhören. Die ersten neun stammten von Fernsehreportern, einige von Sendern aus Mississippi, andere aus Louisiana, einer sogar von CNN. Die zehnte war von Daniel Baxter. Er beschimpfte mich etwa eine Minute lang, sagte, er habe vorgehabt, ein Spurensicherungsteam des FBI zu schicken, das mein Haus unter die Lupe nehmen sollte, bis Sheriff Buckner ihn informiert habe, daß ich den Tatort gründlich gesäubert hatte. Ich spulte weitere Mitteilungen von Reportern vor und hielt dann inne, als Miles’ Stimme knisternd aus dem Lautsprecher drang.
Seine Nachricht besagte, ich solle ihn sofort unter einer mir unbekannten New Yorker Nummer zurückrufen. Seine Stimme klang seltsam, wie ein lautes Flüstern. Zu müde, um mich aus dem Sessel zu erheben, rollte ich zum Anrufbeantworter hinüber, griff nach dessen schnurlosem Telefon und wählte die Nummer. Nach zweimaligem Klingeln sagte dasselbe Flüstern: »Ja?«
»Miles?«
»Harper?« Noch immer das Flüstern.
»Ja, wo bist du?«
»Du wirst es mir nicht glauben.«
»Gottverdammt, Miles.«
»Ich bin in Brahmas Haus.«
Mein Herz hämmerte in meiner Brust. »Was?«
»Ich bin in seinem Haus . In seinem Schlafzimmer.«
»Verdammt noch mal, was ist passiert?«
»Erinnerst du dich an die Seriennummer von Brahmas Microsoft-Programm? Der Betaversion? Das FBI hat mit Microsoft gesprochen, aber wir haben Wochenende, und sie haben es über die offiziellen Kanäle versucht. Ich habe in Redmond einen Freund, der dem Entwicklungsteam angehörte. Er hat die Bürokratie umgangen. Es stellte sich raus, daßdiese Diskette 1992 der Columbia University School of Medicine für Betatests ausgehändigt wurde.«
Ich hörte nur meinen eigenen Atem, während mein Verstand die Verbindung herstellte. »Schon wieder Drewes Theorie. Columbia und Neurochirurgen.«
»Sobald ich das rausgefunden hatte«, fuhr er fort, »hackte ich mich in die Computer der Universität und bekam eine Liste der Abteilungen, die an den Betatests teilgenommen haben. Das engte ich auf Spezialdisziplinen ein, die mit dem Gehirn zu tun hatten. Damit bekam ich dreiundzwanzig Ärzte. Auf die Vermutung hin, daß die Familiengeschichte, die Brahma dir erzählt hat, der Wahrheit entspricht, wählte ich deutsch klingende Nachnamen aus. Davon gab es acht, und fünf davon waren Juden. Die strich ich, weil es sich bei Brahmas deutschem Onkel ganz bestimmt nicht um einen Juden gehandelt hat. Damit blieben drei Namen übrig. Dörner, Thiele und Berkmann. Ich überprüfte ihre Personalakten und ging dabei davon aus, daß die Vornamen, die Brahma dir genannt hat, echt waren. Rudolf, weißt du noch? Der Sohn hieß Richard. Ein Psychiater?« Miles wartete einen Herzschlag lang. »Tja, es war ein Volltreffer.«
»Du machst Witze.«
»Rudolf Edward Berkmann, siebenundvierzig Jahre. Neurobiologe und Neurochirurg. Vater Richter, Psychiater und ebenfalls an der Columbia studiert. Berkmann gehört der Fakultät an, Harper. In seinem Lebenslauf steht sogar, daß sein Großvater Rudolf Berkmann war, ein bekannter Chirurg aus New York.«
»Großer Gott.«
»Sein Rufname ist Edward. Rate mal, was Edwards Spezialität ist.«
»Die Zirbeldrüse?«
»Nein. Berkmann ist weltbekannt für sein 3-D-Computermodell des Gehirns. Er arbeitet seit den siebziger Jahren daran. Ich griff auf die Universitätsbibliothek zu und fand Dutzende von Artikeln und Abstracts aus medizinischenFachzeitschriften. In den letzten zwanzig Jahren hat dieser Typ über vierhundert menschliche Gehirne aufgeschnitten, um die grundlegenden Daten für sein Modell zu bekommen. Fünfzehnhundert Scheiben pro Gehirn, gefroren wie Hähnchenleber. Jetzt stellt Berkmann alle Gehirnforschungen auf der Welt zusammen und integriert sie in das Modell, das ständig ergänzt wird. Man kann mit dem Ding neurochemische Reaktionen abbilden, das
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