@ E.R.O.S.
nicht, was ich ihr zu sagen habe. Sie beobachtet mich mißtrauisch, den Rücken zur Unterstützung gegen die Tür gelehnt, das Kinn leicht nach unten geneigt, als wolle sie einen Schlag abwehren. Ich erinnere mich von der High School an diese Pose, als ich ihr eingestand, daß die Gerüchte, die sie von mirund einer Freundin von ihr gehört hatte, wahr seien. Tausend Gründe, nicht zu sprechen, schnüren mir die Kehle zu. Ich höre die Stimmen ihrer Freundinnen, ihrer Mutter, die ihr sagen, daß die Menschen sich nicht ändern, daß Betrug eine Gewohnheit ist, daß ich nicht der Mann bin, der irgendeiner Frau treu bleiben kann.
»Drewe, ich muß dir etwas sagen.«
Sie wendet kurz den Blick ab, dann wieder zu mir zurück, und in dieser kurzen Zeitspanne hat ihr Blick viel von seiner Offenheit verloren, die nun einer schützenden Zurückhaltung gewichen ist. Ich höre das metallische Scheppern des wieder einsetzenden Regens.
»Ich weiß, wer Hollys Vater ist.«
Sie drückt sich fester gegen die Tür, und mir wird klar, daß mein Zögern alles nur noch schlimmer macht. »Drewe ...«
»Nein«, sagt sie. Ihre Unterlippe zittert. »Nein.« Sie hebt eine zitternde Hand vor den Mund, hält unsicher inne, legt sie dann vor die Augen.
Noch während ich den Mut verliere, sage ich: »Drewe, ich bin es.«
Wie flüssige Diamanten fallen Tränen hinter ihrer Hand auf ihren Schoß. Meine schlimmste Befürchtung ist, daß sie davonlaufen, einfach aus dem Wagen springen und mich mit einem schießwütigen Deputy zurücklassen wird. Ich spucke in einer Flut der Panik meine Entschuldigungen aus. »Ich habe es erst vor drei Monaten erfahren, Drewe. Ich hatte keine Ahnung! Erin ist vor unserer Hochzeit in Chicago aufgetaucht, noch bevor wir eigentlich richtig verlobt waren, sie blieb drei Tage bei mir, danach ist nie wieder etwas gewesen. Drewe, sie hat mir danach nie etwas gesagt und kam sofort hierher zurück und hat Patrick geheiratet! Ich habe nicht gewußt, daß sie schwanger war und habe sie danach nie wieder angefaßt. Drewe? Drewe! Sag doch etwas!«
Als sie die Hand von den Augen nimmt, erhellen rote Flecke, die wie Schmetterlingsflügel aussehen, ihre bleichen Wangen.
»Drewe?«
Nichts.
Ich will ihre ausgestreckte Hand ergreifen, dann wird mir klar, daß sie nach ihrer Tasche greift. Als ihre Finger sie umschlingen, tastet ihre andere Hand schon nach dem Türgriff.
»Drewe, warte. Bitte ... wir müssen darüber reden.«
Die Tür öffnet sich mit einem Quietschen, und ich sehe die Silhouette ihres Hinterkopfs vor dem hellen Eingang. »Drewe, warte!« bitte ich und ergreife den Arm, der die Tasche hält.
»Faß mich nicht an!« Sie zuckt zurück, als stünde meine Hand in Flammen, und hastet aus dem Wagen.
Ich beuge mich über den Sitz vor und versuche, die sich schließende Tür wieder aufzustoßen, doch Drewe wirft ihren Körper mit solcher Wucht dagegen, daß sie meinen Arm und die Schulter in den Wagen zurückdrängt.
»Drewe, warte! DREWE !«
Als ich meine Hand auf den Türgriff lege, hallt ein deutliches Klicken durch den Wagen. Ich zerre an dem Griff, aber nichts passiert.
»Geben Sie’s auf, Heißsporn«, sagt Deputy Daniels, der wieder hinter dem Lenkrad sitzt.
»Ich muß mit ihr sprechen!« rufe ich und zerre immer wieder an dem Griff.
»Sieht so aus, als wolle die Lady nicht mit Ihnen sprechen.«
In blinder Wut trommle ich mit den Fäusten gegen den Draht.
»Geben Sie sich keine Mühe, Kumpel«, sagt Daniels träge. »Das haben schon ganz andere versucht.«
Draußen ist Drewe in der regenperligen Helligkeit der Scheinwerfer stehengeblieben. Sie steht wie ein Flüchtling da, schaut zu dem Wagen zurück, in der linken Hand die Tasche, die rechte gehoben, um ihre Augen abzuschirmen. Ich drücke meine Hände gegen das Fenster, als wollte ich den Abgrundzwischen uns mit reiner Willenskraft überbrücken. In ihrem Gesicht spiegelt sich eine beunruhigende Vielfalt diverser Gefühle: zerstörtes Vertrauen, in Verwirrung umgeschlagene Liebe, in furchtbarer Entzweiung endende Eintracht. Sie wartet noch einen Augenblick, geht dann langsam vom Wagen zurück, von mir fort, hin zum Haus ihrer Eltern und ihrer Kindheit. Der Streifenwagen hat sich in Bewegung gesetzt, fährt schnell die Auffahrt hinab. Ich versuche, Drewe nicht aus den Augen zu lassen. Während meine Finger sich in das Drahtgeflecht verkrallen, beobachte ich, wie sie mit dem silbernen Regen verschmilzt.
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I
n den vergangenen sechsundzwanzig
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