@ E.R.O.S.
nicht gesagt hat, daß er es herausgefunden hat. Die letztere Möglichkeit ist die wahrscheinlichere. Miles ist der Gott des EROS-Universums, und wenn darin ein digitaler Spatz mit den Flügeln schlägt, weiß er davon.
Plötzlich kommt mir mein Büro fünf Nummern zu klein vor. Ich greife mir die Überreste des Sandwiches, eine kalte Tab und meine Schüssel und trabe hinaus. Der Explorer dröhnt unter dem Druck meines Fußes auf das Gaspedal auf und schlittert die Abfahrt zur Asphaltstraße entlang.
Zweihundert Meter rechts von mir, in der ersten sanften Kurve der Straße, steht auf der falschen Seite eine bullige Limousine mit einem abnehmbaren Blaulicht auf dem Dach. Ich schaue nach links, sehe dort aber keinen Wagen, sondern nur ein Turbo-Prop-Flugzeug, das über die Stromleitungen brummt, die die Grenze unserer verpachteten Baumwollfelder nachbilden. Mein Nachbar hat seine Schädlingsbekämpfung aus der Luft zwar vor ein paar Tagen abgeschlossen, aber die Piloten dieser Giftbomber fliegen gern tief, und so handelt es sich vielleicht um einen, der zu seinem neuen Einsatzort unterwegs ist.
Während mein Adrenalinspiegel steigt, gebe ich Gas undfahre direkt auf den geparkten Wagen zu. Als ich mich ihm nähere, mache ich die weiße Silhouette eines Straßenkreuzers der Polizei von Yazoo County aus. Ich halte den Explorer knapp unter der Höchstgeschwindigkeit, bis ich mich dicht neben dem Heck des Streifenwagens befinde, trete dann auf die Bremse und komme neben der vorderen Fensterscheibe zum Stehen. Das Gesicht ist ein pausbäckiger verschwommener Fleck hinter Glas. Langsam senkt sich das elektrisch betriebene Fenster in die Tür, und ein rötliches junges Gesicht mit einem Pfropfen Kautabak hinter der Unterlippe lächelt mich an.
»Hallo, Harp.«
Ich kenne diesen Burschen. Auf der High School habe ich Football gegen ihn gespielt. »Seltsame Stelle für eine Radarkontrolle, Billy.«
Deputy Billy lächelt noch breiter und spuckt dann in das Niemandsland zwischen unseren Fahrzeugen.
»Wird hier draußen ziemlich bald sehr heiß werden«, sage ich.
»Ist schon heiß. Der Boden ist so gottverdammt trocken, daß er dankbar ist, wenn man darauf pißt.«
Ich lache kurz aus reiner Höflichkeit. »Weißt du, warum du hier draußen bist, Billy?«
Er beißt auf eine Seite seiner vorstehenden Unterlippe und schaut zu meinem Vorderreifen hinab. »Ich warte darauf, daß Turner aufkreuzt, oder?«
»Erinnerst du dich aus der Schule an ihn?«
Billy zuckt mit den Achseln. »Hab’ ihn dann und wann mal gesehen. Konnte mit dem Blödmann nie was anfangen. Hat sich halb schwul benommen.«
Genau das hatte ich erwartet. »Glaubst du wirklich, daß er zurückkommen wird?«
»Kann man nie sagen. Leute auf der Flucht machen komische Sachen. Manchmal treibt der Instinkt sie nach Hause wie einen kranken Hund.«
»Miles nicht. Er hat diesen Ort gehaßt.«
Billy nickt geistesabwesend und fummelt dann an der Laser-Radar-Pistole herum, die auf sein Türpaneel montiert ist.
»Ich will dich was fragen, Billy. Gib mir ’ne ehrliche Antwort, okay?«
Er schaut ein wenig argwöhnisch auf. »Okay.«
»Bist du nur hier, um Miles abzufangen, oder sollst du auch mich beobachten?«
Es dauert eine Weile, bis er darüber nachgedacht hat, und sein bartloses Kinn arbeitet sich um den Kautabak. »Kann ich wirklich nicht sagen. Der Sheriff spricht nicht viel. Aber irgendwer will Turner unbedingt den Arsch aufreißen. Bei dir weiß ich das nicht so genau. Aber über dich haben sie auch gesprochen. Und sie quatschen mit Leuten, die dich kennen.«
»Wie mit dir zum Beispiel?«
Er lächelt wieder. »Ich habe ihnen gesagt, du seiest in Ordnung. Hätte dich siebenundsiebzig mal gewaltig in den Schwitzkasten genommen.«
»Aber es hat nie ganz gereicht, was?«
Angesichts dieser Bemerkung grinst er breit.
»Also, hast du den Befehl, mir zu folgen oder nicht?«
Billys Antwort ist das ewig unergründliche Lächeln des Gesetzeshüters aus den Südstaaten. Es gibt wohl nur eine Möglichkeit, um es herauszufinden. Ich trete das Gaspedal des Explorers durch und lasse neben dem Streifenwagen zwei Meter qualmenden Gummis zurück. Als der Tachometer über die hundert Stundenkilometer klettert, schaue ich in den Rückspiegel. Billys Caprice steht noch an Ort und Stelle. Wahrscheinlich grinst der Junge noch immer wie Junior Samples. Aber wenigstens folgt er mir nicht.
Als ich von einer langen Fahrt durch die Baumwollfelder die Schnauze voll habe und
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