@ E.R.O.S.
dessen taucht sie auf meiner Schwelle auf, eine flanellbekleidete Silhouette vor dem Korridorlicht.
»Bist du wieder da?« fragt sie leise.
»Ja. Bin gerade angekommen. Alles in Ordnung. Zumindest für dich und mich. Aber nicht für Erin. Patrick wartet draußen.«
»Was?«
»Er parkt am Straßenrand. Ich glaube nicht, daß er irgendetwas Verrücktes anstellen wird. Aber weck mich, wenn du etwas Verdächtiges hörst.«
»Das muß aufhören«, sagt Drewe nachdrücklich. »Ich bezweifle, daß ich jetzt noch einschlafen kann. Willst du mir nicht von deiner Reise erzählen? Ich mache uns einen Kaffee.«
Nach den Ereignissen der letzten zehn Minuten habe ich nicht die Absicht, mir von meiner Frau in die Augen sehen zu lassen. »Ich bin ziemlich kaputt«, erwidere ich. »Ich muß dringend etwas Schlaf nachholen.«
Sie bleibt an der Tür stehen. »Ich stell’ dir etwas zum Mittagessen bereit«, sagt sie schließlich. »Ich werde versuchen, Erin zu überreden, morgen früh wieder nach Hause zu fahren.«
»Danke. Viel Glück.«
»Du hast vergessen, die Jalousien herunterzulassen.«
»Ich bin so müde, daß es mich nicht stört.«
»Nacht«, sagt sie. Dann greift sie über die unsichtbare Grenze zwischen unseren Leben und zieht die Tür hinter sich zu.
Während ich reglos in der bleichen Dämmerung liege, überkommt mich die schreckliche Gewißheit, daß wir alle, falls es nicht zu einer göttlichen Intervention kommt, auf eine explosive Enthüllung der wahren und tragischen Lage zusteuern. Und es sieht mir nicht ähnlich, auf eine göttliche Intervention zu hoffen, zumindest keine positive zu erwarten. Vergeltung ist das einzige kosmische Prinzip, an das ich je glauben konnte.
Ich schlafe mit dem Revolver unter meinem Kissen.
21
I
ch habe letzte Nacht zehn Stunden geschlafen. Als ich mich heute um halb vier wachblinzelte, kam ich mir vor, als würde ich nach einem leichten Fall von Taucherkrankheit aus der Unterdruckkammer treten. Als ich das Haus leer vorfand, ging ich zur Straße hinaus – vorgeblich, um die Post aus dem Briefkasten zu holen – und überzeugte mich, daß Patricks Jeep ebenfalls verschwunden war.
Ich kann es kaum fassen, daß es erst vier Tage her ist, seit ich den CNN-Bericht über Karin Wheats Tod gesehen habe. Erst drei Tage, seit ich in New Orleans mit der Polizei gesprochen habe und Detective Mayeux mich in die schnellebige Welt des FBI und seiner Investigative Support Unit eingeführt hat.
Karins Leiche muß mittlerweile unter der Erde sein. Nur Gott weiß, wo ihr Kopf ist. Ihre Beerdigung war wahrscheinlich ein Zirkus, mit Hunderten von Gaffern, die sich wie Kinder für Halloween verkleidet hatten. Welch bizarre Ironie: Karin hat lange an die körperliche Unsterblichkeit geglaubt – oder sie sich zumindest gewünscht –, und nun liegt sie sans Kopf in einem Betongewölbe auf einem der alten französischen Friedhöfe, die ihren dunklen Romanen die so schaurige Atmosphäre verliehen.
Und an einem anderen – vielleicht genauso dunklen und einsamen – Ort liegt oder steht oder sitzt eine gefesselte Frau namens Rosalind May, und die meisten von uns können nicht mehr tun, als zu beten, daß sie noch Luft zum Atmen hat. Die Polizei von Mill Creek, Michigan, hat ihre Stadt wahrscheinlich auf den Kopf gestellt, jeden betrunkenen Penner und Sexualstraftäter in ihrem Zuständigkeitsbereich aufgescheucht und nichts herausbekommen. Ich entsinne mich, daß Baxter mir gesagt hat, die May habe zwei erwachsene Söhne. Mein Geist beschwört Bilder herauf, wie sie sich einzureden versuchen, ihre Mutter sei mit einem unbekannten Liebhaber durchgebrannt – oder sogar, von einem geldgeilen Arschlochentführt worden –, weil alles andere bedeuten würde, akzeptieren zu müssen, daß sie sich bereits jenseits jeder Hilfe durch Sterbliche befände.
Das benommene Gefühl der Taucherkrankheit will einfach nicht von mir weichen. Als ich gestern nacht vom Flughafen von Jackson nach Hause fuhr, verspürte ich eine kurze Euphorie, weil es mir gelungen war, mich aus den Klauen des FBI zu befreien. Doch stimmt das wirklich? Vor vier Tagen habe ich mich mit einem einzigen Anruf völlig aus meinem Leben zurückgezogen, und nun wird es Zeit, mein Leben wieder aufnehmen. Es ist nicht so, daß ich es nicht versucht hätte. Sobald ich mich überzeugt hatte, daß Patrick fort war, habe ich mich hinter meinen Gateway 2000 gesetzt, um den Stand meiner Geschäfte zu überprüfen. Beim Anblick der Staubschicht auf
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