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@ E.R.O.S.

@ E.R.O.S.

Titel: @ E.R.O.S. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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nach Hause zurückkehre, kommt mir in den Sinn, daß Deputy Billy – falls er nicht seine Überwachungsposition aufgegeben hat und zum Abendessen nach Hause gefahren ist – mich anhalten und verlangen könnte, einen Blick auf die Ladefläche des Explorers werfen zu dürfen.Dazu müßte er das Fahrzeug nicht öffnen, bräuchte also wahrscheinlich dafür keine besondere Vollmacht. Aber wenn ich eines Abends mit Drewes Acura losfahren würde, könnte man sich nur davon überzeugen, daß ich Miles nicht im Kofferraum versteckt hätte, indem man mich anhält und nachsieht. Wäre das rechtmäßig? Würde ich Widerstand leisten? Zur Zeit ist das natürlich eine rein akademische Frage. Aber wird es auch so bleiben?
    Kurz zuvor an diesem Nachmittag schaltete ich den Allradantrieb hinzu und kämpfte mich über dreihundert Meter grasüberwucherte Traktorspurrillen, die an einem breiten, flachen Buckel inmitten der Felder endeten. Das war der indianische Grabhügel, auf dem man Miles in das Loch mit der Klapperschlange hineingeprügelt hatte. Dort, wo das Fort gestanden hatte, konnte ich noch einen niedrigen Bretterstapel im Unterholz sehen. Ich stieg aus und ging um den Hügel, hielt mit halbem Herzen nach Pfeilspitzen Ausschau und versuchte mich daran zu erinnern, wie es gewesen war, so jung zu sein und einen Freund zu haben, dem ich vertraute, so wie ich Miles Turner vertraut hatte. Es gelang mir nicht ganz. Ich bin jetzt ein anderer Mensch, und das gilt auch für Miles. Wir sind erwachsen. Doch irgendwo tief im Innern muß er noch den harten, kleinen Jungen bewahrt haben, den ich damals kannte, genau, wie ich ihn in mir bewahrt habe. Und ich bin mir sicher, während er in New York oder Teneriffa oder Gott weiß wo um seine Freiheit rennt, sieht dieser kleine Junge im FBI nur eine weitere Bande von Rabauken, die ihm angst machen oder ihn verprügeln oder ihm noch Schlimmeres antun wollen. Und das macht mir angst davor, was er wohl tun könnte, falls sie ihn tatsächlich in die Enge treiben sollten.
    So sehr mir diese Morde zu schaffen machen, meine Erfahrungen mit dem FBI beunruhigen mich noch mehr. Selbst mit ihren gewaltigen Möglichkeiten scheinen sie nicht imstande zu sein, Brahma mit Hilfe technischer oder auch konventioneller Methoden ausfindig zu machen. Daniel Baxter hat mirso gut wie eingestanden, daß sie darauf warteten, daß der Mörder einen Fehler macht. Doch nachdem ich Brahma mehrere Monate lang auf EROS beobachtet habe, habe ich keinen Grund für die Annahme, daß er einen machen wird. Dr. Lenz scheint dies zu erkennen. Doch seine Reaktion kommt mir mehr als nur etwas naiv vor. Seine Argumentation ist vernünftig: Die sicherste Möglichkeit, jemanden aufzuhalten, den man nicht aufstöbern kann, besteht darin, ihn aus seinem Versteck zu locken. Doch ist Lenz der geeignete Mann dafür? Kann das irgendeinem Menschen gelingen? Brahma ist die instinktsicherste Person, die ich auf EROS je gesehen habe. Die Aussicht, daß ein Mann ihm über längere Zeit weismachen kann, er sei eine Frau, ist gleich null. Noch schlimmer ist, daß Lenz ein absoluter Neuling ist, was EROS betrifft. Er weiß kaum etwas über die sozialen Bräuche dort und noch weniger über den Aufbau des Systems.
    Wenn überhaupt jemand Brahma aufhalten kann, während er EROS benutzt, dann die, die das System am besten kennen. Miles und ich. Ich habe den größten Teil der letzten neun Monate damit verbracht, die digitale Welt von EROS zu erkundigen, mit Frauen zu interagieren, vermeintlich private Gespräche zu belauschen, Geheimnisse zu erfahren, die meine Auffassung von der menschlichen Natur erdrutschartig verändert haben, und die Evolution einer Schattengemeinschaft zu lenken, die auf Anonymität und Lust aufgebaut ist. Miles hat dies und noch viel mehr getan: Er hat das System von der Testphase an aufgebaut.
    Und dort liegt das Problem.
    Miles ist der digitale Zauberer; ich bin nicht mal ein Lehrling. Und bislang hat Miles sich geweigert, dem FBI zu helfen. Brahma hat bereits bewiesen, daß er sich mit Computern auskennt; bis das Rätsel der gestohlenen Kundenhauptliste gelöst ist, muß ich davon ausgehen, daß er so viel – oder noch mehr – von der Sache versteht wie Miles. Die Vorstellung, ich könnte versuchen, Brahma online ohne Miles’ Hilfe zu täuschen, ist lächerlich. Es war diese Erkenntnis, die mir aufdem indianischen Begräbnishügel schließlich etwas Frieden verschaffte.
    Die Dämmerung senkt sich, als ich die sanfte Kurve

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