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Atemlos

Titel: Atemlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bagley Desmond
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von uns gesehen hatte, und ließ die Tiere frei. Und dann sah er sich das Gewehr an.
    Bis jetzt hatte er Gewehre nur von weitem gesehen, jedoch noch nie eins abgefeuert – nichts Ungewöhnliches bei einem Engländer seines Alters, der wegen körperlicher Untauglichkeit keinen Wehrdienst geleistet hatte. In Luton hat man wenig mit Gewehren zu tun. Er fummelte eine Zeitlang an der Waffe herum, versuchte, hinter das Funktionsprinzip zu kommen, hütete sich aber wohlweislich vor dem Abzug. Mehr oder weniger aus Zufall drückte er an einem Hebel, und das Magazin fiel ihm in die Hand. Es war leer, und das war auch der Grund, weshalb keine Patrone im Lauf steckte.
    Er dachte eine Weile darüber nach und kam schließlich zu dem Schluß, daß die Munition sich nicht weit von der Waffe befinden dürfte. Er wußte, daß Byrne ein volles Magazin in seinem Brustbeutel mit sich führte, aber es mußten auch sonst noch irgendwo Patronen sein. Er durchsuchte das Gepäck und stieß schließlich auf Päckchen mit elf Patronen.
    Zunächst wollten die Patronen nicht ins Magazin passen, aber dann verfiel er auf die Idee, sie umzudrehen und von der anderen Seite hineinzuschieben. Jetzt klappte es, und auch die Blattfeder im Magazin schnappte ein. Er fand auch heraus, daß das Magazin fünf Patronen aufnehmen konnte. Dann stieß er das Magazin ins Gewehr, arbeitete an einem Hebel herum und wurde für seinen zähen Fleiß schließlich damit belohnt, daß sich eine Patrone glatt in den Lauf schieben ließ. Nun hatte er das Ding wenigstens schon einmal geladen.
    Vom Hörensagen wußte er, daß es so etwas wie eine Sicherung gab, und nach längerem Suchen entdeckte er tatsächlich einen kleinen Schalthebel seitlich, der je nach Stellung einen roten Punkt bedeckte oder freigab. Sein Problem war freilich nun, daß er nicht wußte, in welcher Stellung die Waffe gesichert oder entsichert war. Den Abzug mit leerem Lauf auszuprobieren, war ihm nicht in den Sinn gekommen. Zu guter Letzt überlegte er allerdings, daß rot Gefahr bedeutet, demzufolge mußte beim Aufscheinen des roten Punktes die Waffe entsichert sein. Er hielt also nun, fürs erste, den roten Punkt wieder bedeckt und stand als ein Mann mit einem Gewehr in der Hand auf.
    Paul war kein Mann der Aktion, eher der Reaktion. Ein Mann, der sich immer stoßen ließ – von Menschen, von Umständen, so, wie er sich von English, dem Journalisten, in eine Situation hatte hineinstoßen lassen –, aber er war es nicht gewohnt zu handeln. So stand er also nun da, unschlüssig, was nun am besten zu tun sei. Immerhin hielt er es für wenig sinnvoll, durch den Felsspalt, der inzwischen zu einer belebten Durchgangsstraße für alle Luftikus- Besuchergeworden war, Lash und Genossen in die Arme zu laufen. Statt dessen suchte er sich einen Zugang aus einer anderen Richtung. Und das war schon mal sehr gut.
    Er füllte Wasser in eine Feldflasche ab, steckte sich die restlichen sechs Patronen in die Tasche und brach zu seinem Erkundungsgang auf; das Gewehr hielt er etwas spitzfingerig in der Hand, als könnte es aus eigenem Willen losgehen. Die Richtung zum Felsspalt kannte er, also setzte er sich nun im rechten Winkel dazu in Marsch; er schlängelte sich um den Sockel einer Felsensäule, und das allein schon hätte für jeden, der Paul Billson kannte, ein unbegreiflicher Anblick sein müssen.
    Er zählte zweihundert Schritte ab, dann machte er eine Linkskurve und drang weiter vor. Nach fünf Minuten hielt er an, weil er Stimmen hörte. Vorsichtig spähte er um eine Felsnase und erblickte Kissack und Zayid, die auf Spuckweite an ihm vorbeispazierten. Sie schleppten einen Propeller.
    Das lieferte ihm eine Standortbestimmung; er mußte sich nahe dem Grab seines Vaters befinden. Er wartete einige Zeit, trat hinter dem Felsen hervor und wußte sofort, wo er war. Nun marschierte er zu der Höhle, wo sein Vater bestattet lag. Die Steine, die wir über den Leichnam seines Vaters geschichtet hatten, waren rücksichtslos zur Seite geworfen worden; er sah den weißen Schädel seines Vaters, das erregte ihn sehr, und er bebte vor Wut.
    Wäre er seinen ersten Impulsen gefolgt, hätte er sich schnurstracks auf den Weg zur Luftikus gemacht, um Kissack zu erschießen, doch er zügelte sich. Über seine Fertigkeiten im Umgang mit einer Waffe machte er sich keine Illusionen, es stiegen auch Zweifel in ihm auf, ob er im Falle eines Falles tatsächlich in der Lage wäre, Kissack zu töten. Und dann waren da auch noch die

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