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Atemlos

Titel: Atemlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bagley Desmond
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Bemühungen freilich nicht leichter. Um sie abzulenken, sagte ich: »Sie sind doch eigentlich dienstlich nach Kanada versetzt worden. Wenn Sie nun den Job ablehnen, hat das Folgen?«
    »Ich glaube nicht«, sagte sie. »Sir Andrew war trotzdem sehr nett.«
    Ein Schauer lief mir über den Rücken. »Sir Andrew?«
    »Sir Andrew McGovern. Ich bin seine Sekretärin.«
    »Sie meinen den Chef der Wensley-Gruppe?«
    »Genau. Kennen Sie ihn?«
    »Ich hatte noch nicht das Vergnügen. – Wieso arbeiten Sie für ihn, Miß Aarvik?«
    »Ich habe vor acht Jahren bei der ›Franklin-Technik‹ angefangen.« Sie lächelte. »Zuerst im Sekretärinnenpool. Ich bilde mir ein, daß ich eine gute Sekretärin bin. Jedenfalls blieb ich nicht lange dort, und vor vier Jahren wurde ich zur Konzernleitung in London versetzt – das heißt zur ›Wensley-Holding-GmbH‹.«
    »Kenn ich«, sagte ich. »Wir sind für den Werkschutz zuständig.« Aber nicht mehr lange.
    »Ach! Die Leute, die immer vorbeikommen und nachschauen, ob ich auch wirklich die Farbbänder, auf denen die Chefpost getippt wird, vernichtet habe – das also sind Ihre Angestellten?«
    »So ungefähr. Wie sind Sie also nun an den Job bei ›Franklin-Technik‹ gekommen?«
    »Die Firma, bei der ich vorher war, ist pleite gegangen«, sagte sie. »Ich brauchte eine neue Stellung, und Paul hat mir zu Franklin geraten. Er arbeitete schon lange dort, und er sagte, es sei eine gute Firma.«
    Das war es ja auch – für Paul Billson. Und da ich nun schon am Schloß des Geheimnistresors fummelte, konnte ich die Tür auch ganz aufstoßen. Zum Beispiel: Bezog auch Miß Aarvik ein so überhöhtes Gehalt wie ihr Bruder? »Geniert es Sie, mir zu sagen, wieviel Sie im Augenblick verdienen, Miß Aarvik?«
    Sie sah mich überrascht an. »Keineswegs. Ich bekomme viertausendzweihundert Pfund im Jahr – brutto.«
    Ich seufzte. So ungefähr das Übliche für eine Chefsekretärin, nichts Außergewöhnliches. Und daß Paul sie in die Firma eingeführt hatte, war wohl auch die natürlichste Sache der Welt. »Aber warum die Versetzung nach Kanada?« fragte ich. »Ist das nicht seltsam, daß ein Chef seiner Sekretärin die Auswanderung vorschlägt? Oder sollten Sie mit Sir Andrew zusammen übersiedeln?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Sir Andrew tat so, als würde ich ihm damit einen Gefallen tun. Die Firma, die mich übernehmen sollte – Kisko-Nickel – wird zur Zeit umgestellt. Und ich sollte das Chefsekretariat reorganisieren, sozusagen als Leihgabe auf ein Jahr.«
    »Das müßte Ihnen doch gefallen. Ist das nicht ein Schritt nach oben – von der Sekretärin zur Direktorin?«
    »Ich fühlte mich auch sehr geschmeichelt«, gab sie zu. »Aber die Sache mit Paul …« Ihre Stimme verlor sich.
    »Wann wurde Ihnen der Job angeboten?«
    »Es kam ziemlich überraschend – erst am vergangenen Montag.«
    Ich legte die Stirn in Falten. Das war der Tag, als Hoyland wegen Billsons Verschwinden angerufen hatte. Irgend etwas war komisch daran, aber ich kam einfach nicht dahinter, wie das alles zusammenhing.
    Ich lächelte sie an. »Nun, Sie sehen ja, daß ich noch sehr lebendig bin. Und der Überfall hat nicht nur nach der Meinung der Polizei, sondern auch nach Ansicht meiner Geschäftspartner nichts mit Ihrem Bruder zu tun.«
    Sie sah mich voll an. »Und was ist mit Ihrer eigenen Meinung?«
    Ich log. »Ich bin der gleichen Meinung. Und wenn Sie mich fragen – gehen Sie ruhig zu Sir Andrew McGovern und sagen Sie ihm, Sie hätten sich alles noch einmal überlegt und würden nun doch den Job in Kanada annehmen.«
    »Und Paul?«
    »Für Paul können Sie gar nichts tun, das habe ich Ihnen schon einmal gesagt. Man wird ihn finden, aber für Sie ist es besser, wenn Sie das den Profis überlassen. Ich schreibe Ihnen nach Kanada.«
    Sie nickte. »Vielleicht ist es wirklich so am besten.«
    »Noch eins. Ich würde an Ihrer Stelle kein Wort darüber verlieren, daß dieser Rat von meiner bescheidenen Person stammt. Am besten unterschlagen Sie ganz, daß Sie mich überhaupt kennengelernt haben. Meine Firma steht im Augenblick nicht auf gutem Fuße mit Sir Andrew. Er hat dem Stafford-Sicherheitsdienst gekündigt und baut sich für die Wensley-Gruppe eine hauseigene Werkschutzorganisation auf. Es wäre gewiß ungeschickt, mich jetzt zu erwähnen.«
    Sie machte weit die Augen auf. »Hat das was mit Paul zu tun?«
    »Überhaupt nicht. Das war schon vorher …« Ich hielt inne. Nein, es war nicht vorher passiert.

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