Atemlos
Nicht, ehe ich von Billsons Verschwinden erfahren hatte. Brinton hatte uns damit auf der Gesellschafterversammlung überfallen – an dem Nachmittag, als ich von meinem Besuch bei der Franklin-Technik zurückkam. Ich sprach schnell weiter. »Nein, mit Ihrem Bruder hat das überhaupt nichts zu tun.«
Sie ging, und ich starrte lange an die Decke. Dann machte ich den Nachttisch auf, riß den Verschluß von Brintons Scotch-Flasche auf und goß mir einen tüchtigen Schluck ein. Brinton mochte ja recht haben, daß es mit Malvernwasser besser schmeckte, aber es schmeckte auch so ganz gut. Ich brauchte eben jetzt ganz einfach einen Schluck.
8. Kapitel
Mir hing das ganze Hospital bald ziemlich zum Hals heraus, vor allem das Essen. Die Schwester hatte mir gerade ein sogenanntes Mittagsmahl hingestellt, das mit wässeriger Suppe aus altem Spülwasser begann und mit einem ebenso wässerigen Pudding endete, der mit nichts auf Gottes Erdboden zu vergleichen war, als mein Arzt hereinspazierte und diese synthetische Jovialität versprühte, die unter dem Etikett psychologische Krankenbehandlung an den medizinischen Fakultäten gelehrt wird.
Ich hielt ihm das Tablett unter die Nase. »Haben Sie vielleicht schon mal so etwas gegessen?«
Er inspizierte das Zeug und rümpfte geziert die Nase. »Was haben Sie zu bemängeln?«
»Beantworten Sie meine Frage«, motzte ich ihn an.
Er blinzelte. »Nun, nicht, daß ich wüßte«, antwortete er endlich.
»Das reicht mir«, sagte ich. »Hiermit entlasse ich mich.«
»Aber Sie sind doch noch gar nicht soweit.«
»Und ich werde auch nie soweit sein, wenn ich solches Zeug essen muß. Ich gehe nach Hause, damit ich endlich mal was Anständiges in den Magen kriege.« Gloria mochte ja viele Fehler haben, als Köchin aber war sie, wenn sie wollte, nicht einmal halb so schlecht.
»Wenn Sie sich schon wieder aufmüpfig fühlen, kann das Essen so schlecht nicht gewesen sein«, sagte er. Ich starrte ihn an, und er zuckte die Achseln. »Nun, von mir aus«, sagte er. »Aber ich verschreibe Ihnen noch eine Woche absolute Ruhe, und anschließend will ich Sie zur Nachuntersuchung hier wiedersehen.«
Ich sagte nur: »Wo, zum Teufel, stecken meine Hosen?«
Ich nahm mir ein Taxi, fuhr nach Hause und erwischte Gloria mit einem anderen Mann im Bett. Sie waren beide nackt, und den Mann kannte ich nicht. Jedenfalls hatte ich ihn, soweit ich mich erinnerte, noch nie gesehen, aber Gloria hatte eine Menge seltsamer Freunde. Es gab kein Feuerwerk. Ich zeigte nur mit dem Daumen nach der Schlafzimmertür und sagte: »Raus!« Der Kerl riß seine Kleider an sich und machte die Fliege. Er sah aus wie ein gehäutetes Kaninchen.
Schweigend blickte ich auf das zerwühlte Bettzeug, unter dem Gloria sich versteckte. Schließlich fiel im Parterre die Haustür zu, und Gloria schlängelte sich hervor. Sie machte ein bekümmertes Gesicht, und ein bißchen verängstigt war sie auch. »Aber im Krankenhaus haben sie doch gesagt …«
»Schnauze!«
Dumm von ihr, nicht mit mir zu rechnen. Sie informierte mich ausführlich, was für ein Mann ich nach ihrer Ansicht war. Genauer: Was für ein Mann ich ihrer Ansicht nach nicht war. Sie schmückte ihr Gezeter mit einer Beschreibung all der Mängel aus, die sie an mir fand, lieferte eine Zusammenfassung der dunkleren Seiten unserer siebenjährigen Ehe, und ließ mich dann auch wissen, daß der soeben entfleuchte Bettgenosse längst nicht ihr erster gewesen und ob es denn vielleicht allein ihre Schuld sei, daß es soweit gekommen war. Kurzum, sie versuchte, den bekannten Staffordschen Instant- Krachauf hundert Grad hochzukochen.
Ich stritt mich nicht mit ihr, ich knallte ihr eine. Das erste Mal in meinem Leben schlug ich eine Frau. Die offene Handfläche auf die Backe und viel Muskelkraft dahinter. Das feuerte sie pfeilgerade aus dem Bett – mitsamt dem Bettzeug landete sie vor der Frisierkommode. Ein paar Augenblicke war sie stumm, dann schüttelte sie benommen den Kopf, stützte die Hand auf den Teppich und versuchte hochzukommen.
Sie machte den Mund auf, aber als sie meinen Blick sah, machte sie ihn wieder zu. Sie tastete ihre Backe ab und sah mich ungläubig an.
Ich ignorierte sie, ging zum Kleiderschrank, zog einen Koffer aus dem oberen Fach und fing mit dem Packen an. Schließlich brach ich das Schweigen. »Du hörst von meinem Anwalt. Bis dahin kannst du hier wohnen bleiben.«
»Wohin gehst du?« Ihre Stimme war weich und leise.
»Kümmert's dich?«
Dazu fiel ihr
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