Atemlos
gemacht?«
Ich grinste. »Urlaub – komisches Wort. Vielleicht vor zwei Jahren.«
»Vor vier Jahren«, korrigierte er. »Du machst dich kaputt. Wenn du mich fragst: Fahr jetzt in die Ferien; jetzt hast du eine gute Entschuldigung, um dein Gewissen zu beruhigen. Mach mal einen Trip in die Karibik und leg dich in die Sonne.«
Ich blickte zum Fenster hinaus und in den Londoner Regen. »Hört sich gut an.«
Charlie lächelte. »Vielleicht ist es auch besser, wenn du nicht im Laden bist, während Jack seine ersten Gehversuche in einem Topjob macht. Du kannst einem ja manchmal ziemlich auf den Wecker fallen. Und ein Junge wie Jack nimmt sich so etwas am Anfang sehr zu Herzen.«
Das hörte sich ganz vernünftig an und gefiel mir auch bei längerem Nachdenken immer besser. Vielleicht konnte ich mit Gloria wegfahren. Vielleicht ließen sich so die Risse in unserer Ehe wieder kitten. Wenn eine Ehe in die Binsen geht, liegt der Fehler nie auf einer Seite allein, und meine Anstrengungen, die Firma aufzubauen, hatten sicher viel dazu beigetragen. Vielleicht war noch etwas zu retten.
»Ich überleg's mir«, sagte ich. »Aber vorher möchte ich noch einmal mit Jack sprechen. Über zwei oder drei Sachen sollte er Bescheid wissen, ehe er sich kalte Füße holt.«
Ein zufriedenes Lächeln zeigte sich in Charlies Gesicht, das freilich verwehte, als er sagte: »Wer hat dich überfallen, Max?«
Wir nahmen noch einmal den Fall Billson auseinander, gerieten aber in lauter Sackgassen. Und dann ging Charlie und versprach mir, Jack Ellis vorbeizuschicken.
Eine wirklich überraschende Besucherin war Alix Aarvik. Es verschlug mir richtig den Atem, als sie reinkam. »Setzen Sie sich, Miß Aarvik«, sagte ich. »Sie entschuldigen sicher, wenn ich nicht aufstehe. Wieso sind Sie nicht in Kanada?«
Sie sank in den Lederklubsessel, den Brinton zu meiner Bequemlichkeit hergeschafft hatte. »Ich hab's mir überlegt«, sagte sie. »Ich habe auf den Job verzichtet.«
»Ach! Wieso das?«
Sie sah mich an. »Tut mir leid, was Ihnen zugestoßen ist, Mr. Stafford.«
Ich lachte. Inzwischen konnte ich wieder lachen, ohne daß meine Rippen ›Feuer!‹ schrien. Ich sagte: »Berufsrisiko.«
Sie machte ein ernstes Gesicht. »Wegen Ihrer Suche nach Paul?«
»Ich wüßte nicht, wieso.«
»Die Polizei war wieder bei mir. Und dann kamen andere, keine gewöhnlichen Polizisten.«
»Die Abwehr. Paul arbeitete immerhin in einem Rüstungsbetrieb.«
»Ich wußte gar nicht, was ich von diesen Beamten halten sollte. Sie waren so schweigsam.«
Ich nickte. »Diese Leute werden fürs Fragenstellen bezahlt, nicht fürs Auskunftgeben. Davon abgesehen, geben sich die Herren schon aus Prinzip immer geheimnisvoll. Darf ich fragen, warum Sie den Kanada-Job haben schießen lassen?«
Sie zögerte. »Mr. Stafford, etwa eine Viertelstunde nach Ihrem Besuch ging ich zum Briefkasten. Da sah ich ein paar Dutzend Meter vom Haus entfernt einen Krankenwagen stehen. In den wurden Sie gerade hineingeschoben.« Sie hatte feuchte Lippen. »Ich glaubte, Sie wären tot.«
Ich sagte langsam: »Es muß ein Schock für Sie gewesen sein. Es tut mir leid.«
Sie wirkte ein wenig verkrampft. Sie mußte unter starker Spannung stehen. Sie öffnete den Mund, schluckte, als wollten ihr nicht die richtigen Worte kommen, dann machte sie einen neuen Versuch: »Konnten Sie sehen, wer Sie überfallen hat?«
Jetzt fiel der Groschen bei mir. »Ihr Bruder war's nicht, wenn Sie das meinen.«
Sie ließ die Luft raus, die Spannung fiel von ihr ab. »Ich mußte es einfach wissen. Ich hätte nicht in dieser Ungewißheit abreisen können. Und die Polizei wollte mir nichts sagen.«
Ich sah sie nachdenklich an. »Wenn Sie Ihren Bruder für fähig halten, fremden Leuten einen über den Schädel zu ziehen, dann hätten Sie mich warnen müssen.«
»Aber das hätte ich nie gedacht!« rief sie aus. »Jedenfalls nicht, als wir miteinander sprachen. Erst nachher, als ich Sie im Krankenwagen sah, kamen mir solche Gedanken.«
Ich sagte: »Ich will die Wahrheit wissen. Haben Sie Paul gesehen, seit er abgehauen ist?«
»Nein! Wirklich nicht!«
Ihr Gesicht war ganz rot, so heftig beteuerte sie es.
Ich sagte milde: »Ich glaube Ihnen.«
Und plötzlich kamen ihr die Tränen. »Was ist nur mit Paul geschehen, Mr. Stafford? Was macht er nur?«
»Ich weiß nicht. Ehrlich, ich weiß es wirklich nicht.« Es dauerte eine Weile, bis ich sie beruhigt hatte; daß ich flach auf dem Rücken liegen mußte, machte meine
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