Atemlos
»Fatigué – très fatigué.«
Ich nickte. Ich wäre auch verdammt müde gewesen, wenn ich einen Monat lang, sechzehn Stunden jeden Tag, zu Fuß gegangen wäre. Das hatte Mokhtar hinter sich – und er wirkte frisch wie der junge Frühling. Das Kamel, vor dem ich hockte, war abgehärmt, unter der mageren Haut zeichneten sich die Rippen ab. Ich sagte: »Es ist dünn – maigre.« Ich deutete auf meinen eigenen Brustkorb und wiederholte: »Maigre!«
Mokhtar sagte etwas auf tamachek, was ich nicht verstand. Er nahm das Kamel beim Halfter und trieb es auf die Beine. Er winkte mir, also folgte ich ihm und dem Kamel ein paar hundert Meter zu einem Steintrog, der mühsam mit Wasser aus einem Brunnen gefüllt wurde. Das Kamel senkte den Kopf und fing an zu trinken. Es trank zehn Minuten ununterbrochen und füllte sich vor meinen Augen auf und aus. Es mußte fast hundert Liter getrunken haben – vor mir stand das wohlgerundetste und wohlgenährteste Tier, das ich je gesehen hatte.
Byrne kam erst am nächsten Vormittag zurück, aber er kam in seinem Toyota. Abgesehen von der zersplitterten Windschutzscheibe, sah der Wagen nicht viel anders aus als vor dem Beschuß; aber die Kiste hatte ja schon immer ziemlich verbeult ausgesehen, da machten auch ein paar Löcher nicht viel aus.
Billson und ich waren gut ausgeruht – eine bequem durchschlafene Nacht wirkt Wunder –, aber zum erstenmal sah nun Byrne übermüdet aus. Ich sagte: »Du mußt dich mal anständig ausschlafen.«
Er nickte: »Heute nachmittag ruhe ich mich aus, und heute abend geh ich früh schlafen. Aber vorher haben wir noch was zu erledigen. Steig ein.«
Ich kletterte in den Wagen, und Byrne legte den Gang ein. Eine frische Brise fegte durch den Wagen. »Von nun an haben wir immer viel frische Luft im Auto«, sagte ich. »Wohin fahren wir?«
»Wir lauern einer Bande von Touristen auf«, sagte er zu meiner Überraschung. »Sprichst du deutsch?«
»Soso, lala«, sagte ich.
»Vielleicht kommen wir damit hin. Kissack ist in Bilma. Er hat Bailly ins Hospital gebracht, oder was man hier dafür hält, und eine Geschichte von einem Autounfall erzählt, um Baillys Fußverletzung zu erklären. Das hat man ihm auch geglaubt, weil es hier keinen Arzt gibt. Er soll morgen ausgeflogen werden.«
»Er konnte ja auch nicht gut angeben, er sei überfallen worden – nicht nach dem, was er mit uns getrieben hat. Aber warum melden wir das nicht der Polizei?«
»Und wie erklären wir deine Anwesenheit? Du bist illegal nach Niger eingereist.« Byrne schüttelte entschieden den Kopf. »Polizei! Dann sitzen wir hier monatelang fest, mit oder ohne Visa. Außerdem rechne ich mit Kissack auf meine Weise ab.«
»Und was haben die deutschen Touristen damit zu tun?«
»Mir ist eingefallen, daß Kissack von dir nichts weiß.«
Damit konnte Byrne recht haben. In England hatte ich niemandem erzählt, wohin ich geflogen war. Da dachten alle, ich sonnte mich, wie Charlie Malleson vorgeschlagen hatte, in Jamaica – und sicher nicht in einem so ungewöhnlichen Ort wie Bilma. Und wenn ich auch auf Tuchfühlung an Kissack herangekommen war – er mußte mich für einen namenlosen Targui gehalten haben. Nur zweimal hatte er mich gesehen: im Hotel de l'Air und im Visier seines Gewehres.
Byrne sagte: »Ich möchte, daß du dich an Kissack ranmachst. Und rauskriegst, was er vorhat.«
»Aber diese deutschen Touristen?«
»Ich habe mit einem Touristenführer aus der Ténéré gesprochen, mit einem Targui namens Rhossi. Der hat mir erzählt, daß heute eine deutsche Reisegruppe von Norden runterkommt – er soll mit den Leuten die Ténéré durchqueren. Regierungsvorschrift. Reisegruppen dürfen ohne Führer nicht durch die Ténéré.«
Das überraschte mich wenig. »Na und?«
»In Bilma halten sich nicht viele Europäer auf. Du kannst also nicht einfach reinmarschieren und Kissack anquatschen. Du würdest sofort den Bullen auffallen, und die würden dann deine Papiere sehen wollen. Aber wenn du mit einem Haufen Touristen ankommst, kannst du dich unauffällig im Hintergrund halten. Ich setz dich ein paar Kilometer vor Bilma ab. Du mußt dann per Anhalter weiterkommen.«
Das konnte klappen. Europäer würden immer einen anderen Europäer auf der Straße auflesen. »Was soll ich denn diesen Touristen erzählen?«
»Mensch, was du willst! Oder nein. Zehn Kilometer vor Bilma, gleich neben der Straße, gibt es Felsmalereien. Erzähl ihnen halt, du wärst dahin spaziert, aber jetzt
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