Atemlos
Konti, die inzwischen den Abhang hinter sich gebracht hatten, wurden zur Arbeit eingeteilt; als die Dunkelheit einbrach, hatten wir getan, was wir konnten, zwar nicht zu Byrnes völliger Zufriedenheit, aber besser ging's nun mal nicht.
Dann kam das Auf- und Abpatrouillieren, jeder für sich in seinem Sektor, aber insgesamt über die ganze Breite des Dünentals hinweg. Ich war völlig fertig, und das langsame Herumstapfen im dicken Sand machte mich auch nicht munterer. Immer wieder stießen meine Füße an den Grabenrand, immer wieder machte ich meine Kehrtwendung. Ich versuchte ein bißchen Kopfrechnung und malte mir aus, was das für eine Strecke war, die ich in dieser Nacht zurücklegte, immerhin war das besser, als den verdammten Dünen gegen den Strich zu gehen. Ein paarmal traf ich Byrne am Graben, dann wechselten wir ein paar Worte, bevor wir kehrt machten und wieder in entgegengesetzten Richtungen in die Nacht marschierten. Die Nacht zog sich hin, und meine Schritte wurden langsamer. Ich war hundemüde, und nur das Gehen hielt mich wach – vorausgesetzt, daß ich nicht, und den stillen Verdacht habe ich noch heute, mit geschlossenen Lidern als Schlafwandler umherging. Abermals traf ich auf Byrne, und er sagte: »Hast du Konti gesehen?«
»Bei irgendeiner Kehrtwendung bin ich mal auf ihn gestoßen. Er ist schon noch wach – wenn du dir deswegen Sorgen machst.«
»Deswegen nicht. Aber ich bin lange nicht mehr auf Billson gestoßen.«
Ich seufzte. »Für ihn war der Tag härter als für uns. Er wird wohl zusammengeklappt sein.«
»Dann hätten wir ein Loch in der Front. Wenn der Mond aufgeht, wird mir wohler sein.«
Aber so lange brauchten wir nicht zu warten. Ein Schrei aus Kontis Mund hallte durch die Nacht. Dann Schreckensrufe: »Hai! Hai! Hai!« Männer versuchten, ein ausbrechendes Kamel zu beruhigen. Und dann kamen ein paar Tuareg von hinten auf uns zu – talauswärts. Die Hälfte der Karawane war bereits an uns vorbeigezogen, ohne daß jemand etwas bemerkt hatte, und nur durch Zufall war Konti mit jemandem zusammengestoßen.
Ich setzte mich hin, wo ich gestanden hatte. »Luke«, sagte ich, »ich glaube, ich gehe jetzt schlafen.«
23. Kapitel
Und so ritt ich hoch zu Kamel auf Bilma zu. Paul ebenfalls. Aber Byrne ging schon am zweiten Tag wieder zu Fuß, Konti marschierte die ganze Strecke. Diese Männer waren einfach nicht kleinzukriegen. Mokhtar hatte, wo wir gefunden worden waren, das Nachtlager aufgeschlagen. Aber schon früh am Morgen waren wir mit der Karawane weitergezogen – und dann bis spät in die Nacht hinein, wie Byrne es mir vorher schon erklärt hatte. Byrne schritt rüstig neben dem Kamel aus, auf dem ich saß, und ich bemerkte, daß er barfuß ging – wie übrigens alle Tuareg der Karawane.
»Ist das normal«, fragte ich, »zu Fuß zu gehen?«
»Ja«, sagte er schlicht.
»Die ganze Strecke von Agades nach Bilma?«
»Und wieder zurück.« Er sah zu mir herauf. »Wir sind alle nur demütige Kameltreiber – wie der Prophet.«
Ich überlegte, wie geschwind wir diese Weiten mit dem Toyota durchmessen hatten. »Ich hätte gedacht, Lastwagen wären wirtschaftlicher.«
»Sicher. Sind sie auch.« Er wies voraus. »Bilma produziert viertausend Tonnen Salz im Jahr. Mit zweihundert Zwanzigtonnern könnte der gesamte Export auf einen Schlag bewältigt werden. Die Algerier würden bestimmt Lastwagen einsetzen. Diese Bastarde im Maghreb sind wie besessen von der Wirtschaftlichkeit, wenn damit Geld zu verdienen ist.«
»Und wieso ist das hier anders?«
»Weil die Regierung von Niger vernünftiger ist. Ein Kamel kann eine Siebteltonne tragen. Man braucht also für den Jahresexport achtundzwanzigtausend Kamele. Aber, wie gesagt, das Kamel ist ein zerbrechliches Tier; auf jeden Tag Arbeit braucht es einen Tag Erholung. Drei Monate auf der Salzpiste bedingen also drei Monate Erholung. Macht zusammen sechs Monate, und damit ist dann auch schon der Winter ausgefüllt; im Sommer ziehen hier keine Karawanen durch. Somit benötigt man achtundzwanzigtausend Kamele, denn jedes Kamel macht die Reise ja nur einmal im Jahr. Bei hundertachtzig Dollar je Tier ergibt sich daraus eine Kapitalinvestition von fünf Millionen Dollar. Nimmst du noch Zaumzeug, Decken, Treiberlöhne und so weiter hinzu, kommst du sogar auf sechs Millionen.«
»Mein Gott«, sagte ich, »da würden sich Lastwagen todsicher lohnen.«
»Ich bin noch nicht zu Ende«, sagte Byrne. »Ein Kamel kann nur vier Jahre lang
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