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Atemlose Begierde

Atemlose Begierde

Titel: Atemlose Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabelle Sander
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Nadelstiche pikste, war, dass
ich ihn nie mehr sehen durfte. Ich hatte wenige
Illusionen. Als ich Abend für Abend fröstelnd an der S-Bahn-Haltestelle stand
und mich jedes Mal die eindringlichen Augen eines Mannes, der Ricks bärtiger
Doppelgänger hätte sein können, vom hinten beleuchteten Plakat herunter
anvisierten, begann meine Sehnsucht wieder aufzuflackern, mich zu geißeln. Er
hatte mich unzählige Male angerufen, aber ich sah dem Telefon nur beim Läuten
zu, wie es manchmal vibrierend auf der Tischoberfläche herumwanderte und dabei
hilflos über die Kante stürzte. Es wollte von mir angenommen werden. Es hatte
schon viele Schrammen. Ich ging nie dran.
    Eines Abends lag ich eingerollt in eine orangefarbene
Flanelldecke in unserem Berliner Wohnzimmer, las ein altes Lieblingsbuch und
fragte mich, ob sich das nun in dieser Form weiterspielen würde, bis in alle
Ewigkeit. Ivo war seit drei Tagen verreist und hatte sich nicht gemeldet, wie
das so üblich war. In diesem Moment läutete mein Telefon. Es stand eine
englische Mobilnummer auf dem Display, die ich nicht einordnen konnte. Es war
abends, ich war allein und drückte in letzter Sekunde die Taste.
    »Ja?«, fragte ich.
    »Jo?«
    Ich schmunzelte und sagte kein Wort. Es war das erste Mal nach
unserem Umzug, dass ich seine Stimme wieder hörte. Seither waren mehr als drei
Monate vergangen. Sie war noch tiefer und heiserer, als ich sie in Erinnerung
hatte. Ich bemerkte das ganz kleine angenehme Ziehen in meinem Unterbauch.
    »Wie geht’s dir, Mädchen?«
    Ihn jetzt so unverhofft zu hören in meiner stillen Einsamkeit war wie
ein großes Wunder.
    »Danke, gut, und dir?«, fragte ich fast andächtig.
    »Ganz gut.«
    »Ja?«
    »Du hast nie abgenommen, wenn ich dich angerufen habe.«
    »Tut mir leid, das ist mein innerer Deal mit mir selber. Ivo und ich
können sonst nicht miteinander leben.«
    »Ah ja? Was für ein Deal?«
    »Ich darf dich nicht mehr sehen, sonst raste ich noch aus. Aber
geht’s dir wirklich gut?«
    »Bist du verrückt? Wenn du mich nicht mehr sehen willst, wie soll’s
mir da gutgehen?«
    Das feine Timbre in seinem Englisch, das zwischen Kanadisch und
Britisch oszillierte, erfüllte mich mit Glück, auch wenn ich nebenbei etwas
Vorwurfsvolles in seiner Tonlage vernahm.
    »Wo bist du gerade?«
    »Zu Hause auf der Couch.«
    »Allein, nehm ich an …?«
    »Ja, Ivo ist in der Schweiz.«
    »Lebt er jetzt dort?«, fragte er keck.
    »Nein, natürlich nicht, er unterrichtet nur zwei Wochen im Monat in
Zürich.«
    »Uhhu, nur zwei Wochen!«, sagte er. »Dann
hast du ja schrecklich viel Zeit mit dir allein in Berlin, hm? Wie hältst du das
denn aus? Oder gibt’s da schon jemanden Neues in deinem Leben?«
    Seine Stimme war neugierig, aber ganz liebenswürdig und weich, trotz
der Frechheit. Es fiel mir nichts dazu ein, außer, dass er recht hatte mit
meiner Einsamkeit. Ich sagte nichts.
    »Sehen wir uns wieder? Soll ich dich in Berlin besuchen?«
    »Ähm … nein, ich, äh, das ist nicht so eine gute Idee.«
    »Du möchtest mich wirklich nicht mehr sehen?« Leise Verunsicherung
drang bei ihm durch.
    Ich wollte nichts lieber, als ihn auf meine Couch zu beamen und über
ihn herfallen, aber ich sagte: »Du hast doch sicher eine neue Freundin,
oder?«
    »Ach, daher weht der Wind. Wie kommst du auf so was? Im Ernst, Jo, du
solltest wissen, dass du die Frau meiner Träume bist, aber du entwischt mir
immer.«
    Tatsächlich rannte ich ständig vor ihm weg, kam wieder, entzog mich,
es war albern.
    »Wie wär’s mit irgendwo zwischen Berlin und London? Vielleicht Paris?
Ich buch dir einen Flug. Wir könnten uns ganz nah sein … ein Wochenende nur
du und ich, was meinst du?«
    Der Dämon begann sich wieder zu entspinnen. Schon die Vorstellung
regte mich völlig auf.
    »Rick, langsam, langsam, ich darf nicht
mehr! Ich muss mich benehmen, sonst ist vielleicht wirklich alles aus und vorbei
mit Ivo.«
    »Du warst doch nicht immer ein so braves Mädchen, Jo. Komm, wenn er
dich schon wieder so lange allein lässt und sich’s in der Schweiz gemütlich
macht. Paris ist wunderschön zurzeit, kalt, aber traumhaft. Denk dir einen
Zeitpunkt aus. Ich kann’s nicht mehr erwarten, dich zu sehen. Ich bring dir auch
was mit!«
    »Nicht so schnell, Rick … ich, ich kann nicht … es geht
einfach nicht!«
    »Du kannst nicht? … Nie mehr …?«, er stockte mit einer
Hilflosigkeit in seiner Stimme, dass es mir durch Mark und Bein ging.
    »Was bringst du mit?«, fragte

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