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Atemlose Begierde

Atemlose Begierde

Titel: Atemlose Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabelle Sander
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Zürich an. Er flog zweimal im Monat für fünf Tage in die Schweiz. Es
war haarsträubend, wie viel er arbeiten musste. Er war mehr denn je mit Arbeit
eingedeckt. Trotzdem fühlte ich mich ihm wieder stärker verbunden.
    Dann aber hatten wir ein Gespräch, das mich wieder völlig aus der
Bahn warf. Beim Mittagessen mit Take-away-Sushi in seinem Büro hatte er mir
gegenübergesessen.
    »Jetzt merke ich erst, dass du zwei Personen bist«, sagte er.
    »Ach ja? Ich bemerke das, ehrlich gesagt, schon länger. Aber du bist
auch mindestens zwei.« Ich versuchte ein schiefes Grinsen. Hitze stieg in mir
hoch. Ich hatte ein wenig Angst vor dem, was da kommen würde, aber er war
euphorisch.
    »Wen siehst du in mir?«, fragte ich ihn.
    »Ich sehe das Mädchen in dir, das noch viel erleben will, und dann
sehe ich diese erwachsene Frau. Ich will der sein,
der das alles mit dir erlebt.«
    Es war an sich reizend, dass er es schaffte, solche Dinge über seine
Lippen zu bringen, aber es stach mir mitten ins Herz. Er hatte noch erleben gesagt und dass ich eine Frau für ihn
war, dass das Mädchen in mir allerdings noch viel erleben möchte. Aussehen würde
ich aber wie eine erwachsene Frau . Er verunsicherte mich maßlos damit. Ich spürte
das Mädchen in mir – die Frau, die er sah, als er mir gegenübersaß und das
sagte, sah ich dagegen nicht.
    Ich fuhr in mein Atelier und packte die Digitalkamera aus, wollte
wissen, wer ich wirklich war. Ich war fast 36 Jahre alt und bekam häufig attestiert, dass ich toll aussehen
würde. Ich wollte ganz ehrliche Fotos von mir machen, wollte wissen, wo diese erwachsene Frau genausteckte. Ich hielt die Kamera vor mir in die Höhe und drückte
willkürlich mindestens zwanzigmal ab. Da. Kein einziges Bild, das meiner
Vorstellung von mir entsprach, war dabei. Ganz im Gegenteil. Ich erkannte diese
Frau auf dem Display nicht. Ja, Ivo hatte recht. Das sah er jeden Morgen und
jeden Abend und manchmal mittags, wenn er da war. Warum war Rick das egal? Oder
sah der das anders? Er musste doch auch das verlorengegangene Mädchen vermissen.
Aber Rick hatte mich nicht gekannt, als ich jung gewesen war, im Gegensatz zu
Ivo, der mich für meine Blüte liebte. Der alle Frauen für ihre Blüte liebte. Als
ich das begriff, musste ich schrecklich weinen. Saß in meinem Atelier vorm
Computer und heulte Rotz und Wasser. Ich konnte die Zeit nicht zurückdrehen. Ivo
würde ewig die Junge in mir suchen, die hinter meiner immer älter werdenden
Fassade verborgen war. Ich konnte ihm nicht böse sein, aber ich fragte mich, wie
das erst sein würde, wenn ich mich den 50 und er sich den 60 näherte. Verdammt noch
mal, ich war jung, und er war alt! Ich dachte an Demi Moore, stand auf und ging
hinaus, um mir Zigaretten zu kaufen.
    Es war regnerisch und kalt. Meine verheulten Augen verbarg ich hinter
meinen Haarsträhnen. Als ich zurück war, wusste ich, dass anscheinend ich ein
Problem mit dem Älterwerden bekam, jetzt auf einmal. Rick schien das Alter kalt
zu lassen. Er hatte sogar mal gesagt, dass er es lieben würde, wenn Frauen die
Spuren des Lebens nicht vertuschten oder wegoperierten. Er musste doch meine
Furchen auch deutlich gesehen haben. Er fand mich interessant, und er nannte
mich »Mädchen«, obwohl ich keines mehr war. Die Erkenntnis, dass ich nun in die
Midlife-Crisis geschlittert und die Affäre mit Rick offenbar deren Produkt war,
ließ mich erschauern.
    Die Tage vergingen, und es wurde kälter in Berlin. Ivos häufige
Abwesenheit begann mir wieder zuzusetzen. Sein neuer Job in Zürich machte ihm
große Freude, obwohl er sehr abgearbeitet schien. Nie hatte ich das Gefühl, dass
er nicht gerne wegflog. Er war fast den halben Monat weg und ich allein, bis auf
wenige Wochenenden, an denen ich ihn besuchte oder er herkam. Auch ich konnte
effizient an meiner Arbeit dranbleiben, war abends dann fast ausschließlich
allein zu Hause und arbeitete meist noch bis ein oder zwei Uhr morgens in Ivos
Arbeitszimmer, das sonst immer unbenutzt war. Ich tüftelte an einem Vorschlag
für meine Ausstellung in Victoria Nortons Galerie, arbeitete an der Gestaltung
des Foyers, trank nicht, ging selten aus und hatte einen guten Rhythmus. Es war
an sich nichts zu bemängeln an meinem Leben und dennoch war ich ungeduldig und
fahrig, begehrte insgeheim einen Mann, der mir in Wahrheit nicht guttat und all
die Dinge wieder in mir hatte aufleben lassen, vor denen ich in die Beziehung
mit Ivo geflohen war. Aber was mich oft wie kleine

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