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Atemlose Begierde

Atemlose Begierde

Titel: Atemlose Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabelle Sander
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wenn er dann auch noch in
seiner unverblümten Art mit Frauen aus unserem Freundeskreis flirtete,
vorzugsweise mit besonders jungen Exemplaren, dann fühlte ich mich oft
verlassen. Die größte Kränkung war für mich aber, wie er in den Winterferien in
der Schweiz der neuen Verlobten seines Jugendfreundes Bernhard, einer jungen,
aufstrebenden Architektin aus Chicago, schlagartig erlegen war. Jeder Ausflug
mit ihnen wurde zu einem Martyrium für mich. Er trug ihr die Ski, rubbelte sie
warm, wenn ihr kalt war, sie durfte in unserem Auto vorne sitzen, während ich
hinten zwischen unseren Hunden und Bernhard eingepfercht saß. Ivo merkte gar
nicht, dass wir anderen auch noch anwesend waren. Ich wurde zur stillen
Beobachterin und war unfähig einzuschreiten, wie gelähmt stand ich daneben. Die
Situationen häuften sich, und er war nicht der Mann, der seine Gefühle verbergen
konnte, und gerade diese Unmittelbarkeit traf mich am härtesten. Die Frau
bemerkte es, und ich tat ihr sichtlich leid. Das war so demütigend wie nichts
anderes. Neben ihr fühlte ich mich hässlich und ungeliebt, war chancenlos, bei
ihm noch etwas zu bewirken, konnte aber auch nicht einfach abhauen. Ich fühlte
mich wie lebendig begraben. Zu diesem Zeitpunkt wäre ich gar nicht fähig
gewesen, mir Bestätigung von woanders zu holen, aber der erste Samen war gesät.
Ich arbeitete hartnäckig an meiner Kunst und lief auf Hochtouren. Immer wieder
keimte der Wunsch, begehrt zu werden, in mir auf, aber ich schluckte ihn runter.
Dann kam Oksanas Geburtstagsparty, und auf einmal materialisierten sich meine
verborgenen Sehnsüchte zu Rick. Es war eindeutig gegenseitig, von der ersten
Sekunde an, aber Rick sah dabei offenbar nicht mir in die Augen. All meine
Koordinaten, die mir Halt gaben, begannen sich jetzt wie wild im Raum zu
bewegen. Ich fühlte mich gerade wie in einem Rotweinrausch, wenn man die ganze
Flasche alleine trinkt. Es drehte sich alles. Mir wurde schwindlig.
    »Jo!«
    Ich hörte Tara rufen, ganz weit weg.
    »Jo, wir müssen uns entscheiden und schaffen’s nicht. Was würdest du
vorziehen: gegrillte Langusten oder eine geeiste Tamarindencremesuppe als
Starter?«
    Ich sah Salvador Dalís langustenbestückten Telefonhörer vor mir
kreisen. Es klingelte nicht. Wo war der Mann, der Langusten liebte und mich?
    »Langusten!«, rief ich.
    Rick liebte es zu essen und das Leben zu genießen, warum blieb ich
nicht bei ihm? Dann würde ich nur noch mit ihm essen, mit ihm vögeln, essen und
vögeln und essen und vögeln. Ich bräuchte nicht mehr zu arbeiten, mir keine
Termine merken. Ich bräuchte nicht mal mehr ein Telefon. Es ging nicht gerade
sehr konstruktiv in meinem Kopf zu. Ich musste mich selbst retten, richtete mich
auf, ging in die Küche und trank ein Glas Wasser.
    »Ich bin heute Abend dabei.«
    »Großartig«, sagte John.
    Ich kramte meine Unterlagen für das Interview zusammen und machte
mich auf den Weg, Oksana in der Tate Modern zu treffen. Ich rannte zur
Haltestelle. Als ich im Bus saß, dachte ich an den letzen Winter.
    *
    Es war das Jahr, in dem wir wieder nach Berlin gezogen
waren und ich meine Affäre mit Rick endgültig für beendet erklärt hatte. Ivo,
Anubis, Suki und ich hatten noch kurze Sommerferien in der Schweiz gehabt, bevor
wir unsere in der Zwischenzeit von einer Studenten-WG abgelebte Wohnung wieder
auf unsere Bedürfnisse adaptiert hatten und ich ein neues Atelier gefunden
hatte. Unser Beziehungsleben fand eine äußerliche Balance, unser Sexleben
allerdings war kaum zu reanimieren, obwohl ich, auch dank meiner Affäre mit
Rick, wieder so schlank war wie mit 19 . Ivo
schätzte das zwar, aber genoss eher, dass andere Notiz davon nahmen und ihn als
immer noch tollen Typen bestätigten. Sein eigenes körperliches Begehren mir
gegenüber schien restlos verloren. Und dass er im Gegensatz zu mir immer üppiger
wurde, turnte mich wiederum nicht besonders an. Die Umstellung nach so langer
Zeit im Ausland traf uns beide, aber ich gewöhnte mich so gut wie gar nicht
dran. Oft tat ich so, als würde ich überhaupt nicht in Berlin leben. Mein alter
Freundeskreis war zerstreut in alle Winde, die Heimkehrer, so wie wir, stellten
bei jedem Zusammentreffen nur endlose Vergleiche zwischen den beiden Großstädten
auf und klagten über Auftragsmangel und zu niedrige Bezahlung.
    Ivo baute sein Büro aus, holte zusätzliche Hilfskräfte sowie
einen Partner dazu und nahm zu meiner Verblüffung im Herbst zusätzlich noch eine
Dozentur in

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