Atevi 1 - Fremdling
es schien. Er nahm an der Besprechung nicht länger teil. Jago dagegen stellte detaillierte Fragen zum weiteren Vorgehen.
Den direkten Zugang zur Ortschaft von Wigairiin versperrte ein alter Befestigungswall. Das Stadttor aber werde für sie geöffnet sein, versicherte Cenedi. Von dort aus sollte es zu Fuß weitergehen; einer der Männer würde die Mecheiti nach Malguri zurückführen.
Warum? fragte sich Bren. Warum die Tiere nicht in Wigairiin zurücklassen? Wie sollten sie, wenn nötig, fliehen?
Ein idiotischer Plan. Und seltsam, daß weder Jago noch Banichi Einwände dagegen vorbrachten. Bren war drauf und dran, Kritik zu üben, doch Jago hatte ihn gewarnt, und er wagte es nicht, sich zu Wort zu melden.
Spar dir deine Fragen für später auf, dachte er.
Für die Aiji-Mutter war Babs wahrscheinlich wertvoller als jeder ihrer Gardisten, verständlicherweise, denn für das Tier gäbe es so bald keinen Ersatz.
Aber war das nicht wieder ein typisch menschlicher und verfänglicher Gedanke? Er konnte nicht wissen, was Ilisidi tatsächlich für ihr Mecheita empfand. Wenn es um atevische Gefühle ging, verrechnete er sich doch immer wieder. Und daß er das für einen Augenblick lang vergessen hatte, führte ihm vor Augen zurück, wie schnell er in die Falle tappte, wenn es darum ging, Zeichen und Gesten zu deuten – so im Moment vor allem jene alarmierenden Signale, die von Banichi und Jago ausgingen.
Darauf konnte er sich keinen Reim machen, ohne Ilisidis Motive zu verstehen, das, was sie am höchsten wertschätzte, was sie zwingend zu dieser oder jener Entscheidung veranlaßte.
Brens Gedanken taumelten hin und her, verhaspelten sich in ungültigen Schlußfolgerungen, assoziierten, was nicht miteinander verbunden war, und versuchten anzuknüpfen an das, was zuverlässig als wahr vorausgesetzt werden konnte.
Sollte er sich von seinem Instinkt leiten lassen? Nur ja nicht. Instinkte waren menschlich, so auch Gefühle, nicht zuletzt aber auch vernunftbegründete Erwartungen…
Ilisidi drängte zum Aufbruch. Es waren gut fünfzig Meilen zurückzulegen. Sie hoffte, Wigairiin gegen Mitternacht erreichen zu können.
»Es kommt jetzt darauf an, Tempo zu machen«, sagte sie. »Damit überraschen wir das Stadtvolk. Es ahnt nicht, was Mecheiti leisten. Das hat es vergessen oder auch nie gelernt, wie so vieles, was unser Land betrifft.«
Bren wollte ihren Worten glauben schenken, dem Gefühl nach trauen können. Er wünschte, ihr unterstellen zu dürfen, daß sie ihr Land liebte und zu schützen versuchte.
Und er wollte begreifen, warum sie vorhatte, die Mecheiti nach Malguri zurückbringen zu lassen, wo wahrscheinlich die Rebellen von antikem Porzellan frühstücken würden.
Er blieb sitzen und wartete, bis der Arzt gegangen war. Dann richtete er sich auf den Knien auf und flüsterte so leise wie möglich: »Banichi-ji. Warum will die Aiji-Mutter die Mecheiti wegschicken? Das ist doch unvernünftig. Womöglich brauchen wir sie noch.«
Banichis gelbe Augen blieben ohne jeden Ausdruck. Und auch der Mund antwortete nicht.
»Banichi. Warum?«
»Warum was?«
»Warum hat sich Tabini nicht anders verhalten? Er hätte mich doch bloß zu fragen brauchen, wenn ihm Zweifel an meiner Loyalität gekommen wären.«
»Gehen Sie, Nadi.«
»Warum ärgert es Sie so, daß ich Ihnen geholfen habe? Cenedi hätte Sie im Stich gelassen und…«
»Ich sagte: Gehen Sie. Wir reiten weiter.«
»Liege ich denn wirklich so verkehrt, Banichi? Bitte, antworten Sie mir. Warum will Ilisidi die Mecheiti abziehen lassen, bevor wir tatsächlich in Sicherheit sind?«
»Helfen Sie mir beim Aufstehen«, sagte Banichi und reichte Jago die Hand, erhob sich mühsam und trat vorsichtig mit dem geschienten Fuß auf, um dann einsehen zu müssen, daß er es aus eigener Kraft nicht schaffte. Bren sprang zur Hilfe, und mit Jago schleppte er den Verletzten zu dessen Mecheita hin.
»Banichi-ji.« Bren war verzweifelt; er würde über die nächsten Stunden kein Wort mehr wechseln können. »Banichi, diese Leute belügen uns doch. Warum?«
Banichi starrte ihn an, und Bren erschauderte bei der Vorstellung, ihn als professionellen Gegner vor sich zu haben.
Banichi wandte sich ab, langte zum Sattelknauf und schwang sich mit verblüffender Schnellkraft auf den Rücken des Tieres, ohne es vorher aufgefordert zu haben, in die Knie zu gehen und die Schulter abzusenken. Jago reichte ihm die Zügel.
Banichi brauchte Brens Hilfe nicht. Atevi legten keinen Wert auf
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